Mika, Bascha
Familie,
und was sollte sie mit einem Job, der sie nur unter Druck setzte.
So sieht
es aus bei Eva. Sie ist Ende dreißig und wird sich irgendwann eine kleine
Stelle suchen. Ansonsten kann sie sich ja beschäftigen - mit den Kindern, mit
dem Haus, dem selten anwesenden Mann. Sie sei zufrieden, sagt sie. Es wäre ja
auch nicht anders gegangen, sagt sie. Sie habe doch ein erfülltes Frauenleben,
sagt sie. Es hat sich eben einfach alles so ergeben.
Die Verlockung
Was ist los mit Eva? Und Millionen anderen Frauen, die es
ähnlich treiben wie sie? Sie sind klug, gut ausgebildet und halten sich für
modern. Irgendwann einmal träumten sie von einem selbstbestimmten Leben. Einem
Leben, das nicht begrenzt ist durch typisch weibliche Rollen. Sie wollten für
sich selbst verantwortlich sein, ihre Chancen nutzen. Haben sie ihre Wünsche in
eine Flasche gestopft, zugekorkt und auf die Reise über die Meere geschickt?
Damit sie von ihnen nicht mehr belästigt werden?
Was ist
passiert mit Eva und Millionen anderen Frauen? Sie hocken in der Falle und
betreiben ihre eigene Vermausung. Dabei haben sie früher selbstverständlich die
gleichen Rechte für sich beansprucht wie Männer — das Beste aus beiden Welten:
Liebe und Geborgenheit im privaten Leben, im öffentlichen Raum Bestätigung und
Anerkennung. Eine Familie gründen und sich im Beruf beweisen. Eigenständig
sein. Und jetzt behaupten sie, Erfüllung geht anders, und lassen ihr Leben zerkrümeln
zwischen der Zuneigung zu ihrem Mann und den Bedürfnissen ihrer Kinder.
Ihre
Bildung dient ihnen gerade mal zur gepflegten Unterhaltung mit Gästen, und ihr
trainiertes Gehirn darf das kleine Einmaleins bei den Schulaufgaben rechnen.
Währenddessen versickert ihre Selbstbestimmung zwischen Ehepflichten und
Sandkasten.
Als Eva in
ihr Erwachsenenleben startete, war die Geschlechterfrage für sie kein Thema.
Plumpe Rollenspiele hatten in ihrem Zukunftsentwurf keinen Platz, weibliche
Selbstbeschränkung ebenso wenig. Der Mann als Brötchengeber und die Frau verwiesen
auf den Unterstützungsbereich? Das fand sie ja schon bei der eigenen Mutter
unerträglich.
Ihr
Zukünftiger sollte ein wirklicher Partner sein. Mit ihm wollte sie alles teilen
— die Berufs-, aber auch die Haus- und die Kinderarbeit. Eine gleichberechtigte
Beziehung zu führen, war für sie keine Frage, sondern selbstverständlich. Ihr
Wohl und Wehe auf die männliche Karte setzen? Viel zu trügerisch. Die Aussicht,
auf den familiären Handlungsraum beschränkt zu sein? Richtig beklemmend.
Und doch
ist sie genau dort gelandet.
Eva ist
bequem geworden. Und feige. So wie Millionen andere Frauen, die es ähnlich
halten wie sie. Da war ihr Anspruch auf Eigenständigkeit, da war aber auch die
Verlockung der altbekannten Frauenrolle. Der sind sie erlegen: Haben sich
einen Mann gesucht, der ihre Idee einer Partnerschaft unter Gleichen
boykottiert. Sind geflüchtet vor den Ansprüchen einer unfreundlichen
Berufswelt. Haben das Kind genutzt, um in die heimische Überschaubarkeit zu
desertieren — und dort zu bleiben.
Eva hat
sich selbst entmachtet und sich für die Unmündigkeit entschieden. Sich
unterworfen, statt sich zu behaupten. Hat sich verführen lassen von einem
Lebensentwurf, der nicht ihr eigener war, und sich herüberziehen lassen in eine
Rolle, die sie früher verachtete.
Frauen wie
Eva leben in der Deckung. Hübsch versteckt hinter den Mauern, die sie selbst
hochgezogen haben. Mit einem Mann, der den Lebensrahmen bestimmt und ihr
finanzielles Auskommen sichert. Mit den aufreibenden Anforderungen eines
Familienlebens, das sie nicht nachdenken lässt und so eingerichtet ist, dass es
ohne sie nicht läuft.
Immer wieder
gab es Punkte in ihrer Biographie, an denen Eva sich so oder so hätte
entscheiden können: für oder gegen eine schablonenhafte weibliche Existenz. Eva
hatte die Wahl. Doch das sieht sie nicht. Sie kann jede Menge Gründe anführen,
warum es für sie so kommen musste und nicht anders ging. In ihren Augen hat sie
individuelle Entscheidungen getroffen und keinem Anpassungsdruck nachgegeben.
Sie lügt sich in die Tasche, aber das leugnet sie. Schließlich trägt sie noch
immer den Anspruch auf einen freien Lebensentwurf vor sich her, der von keinem
Rollenbild beherrscht ist.
Zuzugeben,
dass sie in die Falle gegangen ist, dass sie ein Leben aus zweiter Hand führt
und sich selbst betrügt, wäre allzu schmerzhaft.
Irgendwann
ist Eva in den Rollen-Kokon gekrochen, den die
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