Mika, Bascha
ist in Sachen
Emanzipation finsteres Entwicklungsgebiet. Beim Spiel um die Macht sitzen
Frauen nicht mit am Tisch. Männer haben die Vorherrschaft, das Geld und die
Aufmerksamkeit. Die Welt ist ein Misthaufen, sie hocken oben drauf und krähen.
Männer
haben uns Frauen ausgetrickst und abgewatscht, mit falschen Versprechen gelockt
und mit Kind und Küche allein gelassen. Sie kassieren die höheren Löhne,
bestimmen die politische Agenda, haben jede Menge gläserne Decken eingezogen
und lassen uns gekonnt auf dem Spielplatz stehen. Wir haben in diesem Land
wenig zu melden. Das lassen wir nicht nur zu, sondern geben uns kleinlaut
zufrieden. Immer noch.
Da haben
wir eine Frau als Kanzlerin und eine Präsidentengattin mit Tattoos. Ändert das
irgendetwas? Dass es eine Handvoll Frauen in Spitzenpositionen gibt, sei es in
Politik, Wirtschaft oder Kultur, hat uns das irgendwie weitergebracht?
Insgesamt stehen wir doch immer noch in der zweiten und dritten Reihe. Unser
politischer Einfluss ist lächerlich, unser ökonomisches Drohpotential der reine
Witz und unsere gesellschaftliche Durchsetzungskraft geringer als die jeder
Bürgerinitiative gegen einen Bahnhofsumbau.
So weit,
so unappetitlich. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn nach vierzig Jahren
Geschlechtertheater müssen wir feststellen: Wir selber haben's vermasselt. Wir
Frauen. Wir reden und schreiben und regen uns auf und verfluchen unsere Ohnmacht
gegenüber den gesellschaftlichen Strukturen — aber wie handeln wir denn Tag für
Tag?
Wir lassen
dieses System nicht nur zu. Wir machen mit. Wir selbst halten es am Leben.
Warum sonst wohl sind unsere bisherigen Veränderungsstrategien meist
wirkungslos? Weil wir keine Gegnerinnen des Systems sind, sondern Komplizinnen!
In der
Geschlechterfrage gibt es keine saubere Trennung mehr zwischen Opfern und
Tätern. Wir bestätigen durch unser Handeln die Ordnung von übergeordneter
Männlichkeit und untergeordneter Weiblichkeit — und stellen so die Machtstrukturen
immer wieder neu her. Die Opfer-Täter-Grenzen sind verwischt, die Mechanismen
kompliziert und schwer durchschaubar. Wir sind Opfer und Täterinnen zugleich.
Genau wie Männer Täter und Opfer sind. Doch im Gegensatz zu ihnen übernehmen
wir ein Geschlechterregime, das uns abwertet.
Seit
Jahrzehnten starren Frauen auf dieses Regime und fordern, dass es sich ändert.
Die Strukturen sind katastrophal, und Frauen leiden darunter. Aber warum sind
sie so zählebig? Warum schaffen Frauen es nicht, sie in die Luft zu jagen?
Weil wir
es gar nicht wollen! Weil wir nicht nur leiden, sondern auch genießen. Sich
abhängig zu machen, war schon immer ein weibliches Erfolgsrezept. Die alten
Strukturen sichern uns einen Platz, den wir kennen. Ihn zu wählen, ist risikolos
und bequem. Öffentlich haben wir der Männergesellschaft den Kampf angesagt,
heimlich profitieren wir von deren Bestand.
Wir nutzen
das System als Ausrede, um nicht auf uns selbst schauen zu müssen. Auf unseren
eigenen Anteil an der Geschichte. Und selbst wenn wir bestreiten, dass es
heute noch eine grundsätzliche weibliche Benachteiligung gibt - wie viele junge
Frauen es bedauerlicherweise tun —, macht es das kein Stück besser. Im
Gegenteil. Diese Frauen leben in gefühlter Sicherheit und Gleichberechtigung,
und das oft auch nur in einer begrenzten zeitlichen Phase. Je stärker sie die
Strukturen leugnen, desto weniger sind sie gewappnet gegen deren paradoxe
Mechanismen. 2
Und die
haben uns voll im Griff. Selbst im privaten Bereich, dort, wo wir großen
Einfluss haben könnten, verzichten wir darauf, unsere Eigenständigkeit zu
behaupten. Wir selbst suchen uns doch den Mann aus, den Beruf, wie wir mit Kindern
leben, wie wir die Erwerbs-, die Haus- und Familienarbeit organisieren. Wir
selbst treffen all diese Entscheidungen. Doch erst, wenn wir ohne Gehalt, ohne
Rente, ohne Zukunft dastehen, ohne die Kinder und vielleicht auch ohne Mann,
erst dann geruhen wir zu bemerken, was wir angerichtet haben. Wie wenig wir für
uns selbst erreicht haben im Leben.
Wir sind
nicht nur Teil der Lösung — wir sind auch Teil des Problems. Wer sich
freiwillig in die Ohnmacht begibt, überlässt eben einem anderen die Macht.
Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, müssen wir begreifen: Niemand
übernimmt für uns die Verantwortung. Es kommt keiner. Kein Vater, keine Mutter,
kein Lehrer, kein Freund, kein Mann. Niemand übernimmt für uns die
Verantwortung — wenn wir es nicht endlich
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