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Milchfieber

Milchfieber

Titel: Milchfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas B. Morgenstern
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dass er als gierig und rücksichtslos galt. Über Ruf gab es viele Anekdoten. Allmers kannte nur eine, seine Kollegin hatte sie ihm erzählt und wohl auch so erlebt. Bei jeder Milchkontrolle fallen ein paar Liter Milch an, die bei der Probenahme übrig bleiben. Der Kontrolleur kippt diese Milch in einen Eimer und sie kann später, wieder erwärmt, an Kälber oder Schweine verfüttert werden. Ruf hatte sich beim Milchkontrollverein beschwert, es werde zu viel Milch vergeudet. Er wolle dafür Schadenersatz.
    Über Ruf wurde im Dorf gelästert, eigentlich habe er nur seine Katzen gerne. Es gab keinen Hof weit und breit, auf dem sich so viele Katzen herumtrieben. Es gab alle Farben und Altersstufen und weil er die Tiere nie sterilisieren ließ, wurden es immer mehr. Ruf ging das Wohlbefinden der Tiere über alles. Vor ein paar Jahren hatte sich eine Katze auf der Jagd nach einer der vielen Ratten, die auf seinem Hof herumliefen, in den Güllekeller verirrt, der unter dem Stall die Ausscheidungen der Kühe auffing. Die Schwimmdecke, die sich auf der Gülle gebildet hatte, konnte das kleine Tier ohne Probleme tragen und so lief es in Panik immer weiter in die Dunkelheit des Güllelagers. Ruf zögerte keinen Augenblick, zog sich bis auf die Unterhose aus und stieg in den Keller, um das Tier zu retten. Kopfschüttelnd erzählten sich die Bauern später die Geschichte. Jedem war klar gewesen, dass Ruf sein Leben riskiert hatte. Die Gase, die aus der aufgewühlten Gülle dringen, sind so gefährlich, dass man nur mit schwerem Atemschutz so ein Abenteuer wagen darf.
    Allmers hatte keine Lust auf diese Kontrolle und machte sich seufzend auf den Weg.
    Claus Ruf hatte in den letzten Jahren seinen Hof mehr als verdoppelt, er bewirtschaftete mittlerweile fast dreihundert Hektar, molk über hundert Kühe und kam kaum mehr zur Ruhe. Vor ein paar Wochen war sein Sohn in den Betrieb eingestiegen, ihn kannte Allmers. Er fand, dass er ein arroganter, durchtriebener Schnösel war, der ihm schon bei der Feuerwehr negativ aufgefallen war. Allmers hatte ihn als Ausbilder durch die Jugendfeuerwehr begleitet und war froh gewesen, als er endlich erwachsen geworden war und er ihn nur noch selten bei Einsätzen der Feuerwehr sehen musste.
    „Scheiße“, fluchte eine laute Stimme aus der Melkkammer von Claus Ruf und Allmers sah neugierig durch die Tür.
    „Moin“, sagte Ruf. „Kommst du heute?“
    Das siehst du doch, dachte Allmers und nickte nur.
    Claus Ruf hielt eine tote Katze an den Hinterbeinen. Sie war nass und die Tropfen, die von ihr herunter liefen, waren weiß.
    Allmers erfasste die Situation sofort. Er sah zu dem großen Milchtank und bemerkte, dass der Deckel, durch den die Milch gepumpt wurde, offen war.
    „Ist sie…“, fragte er nur und Ruf nickte.
    „Ich habe sie gerade da rausgeholt“, sagte er und sah Allmers ärgerlich an. „Die Milch hat vier Grad, da überlebt man nicht lange.“
    Allmers überlegte, ob er ihn fragen sollte, ob er auch in die Milch gestiegen war, um die Katze zu retten, aber er beschloss, zu schweigen.
    Als er in den Melkstand trat, erschrak er. Man benötigt hier nur drei Stunden, dachte Allmers. Drei Stunden mit dem Hochdruckreiniger, dann könnte man vielleicht hier arbeiten. Der Dreck starrte Allmers förmlich an und er wusste nicht, wo er sein kleines Pult aufbauen sollte.
    Ruf war ein schneller Melker. Die Proberöhrchen flogen Allmers nur so um die Ohren, die Kühe hatten nur noch Nummern und Allmers verlor zwischendurch mehrmals den Überblick. Ruf hing ihm ein Proberöhrchen nach dem anderen ans Pult, sagte „34“ oder „56“ und drehte sich um. Allmers versuchte halbherzig Rufs Schnelligkeit zu bremsen, aber der nahm keine Rücksicht auf ihn. Allmers war es irgendwann egal und er notierte die Milchmengen, wie es gerade passte. Den Wert der Kuh 59 bei Nummer 64, 23 landete unter 78 und 45 unter 98. Die Hälfte stimmt, dachte er zwischendurch.
    Während der Kontrolle fiel ihm plötzlich ein, dass die Milch, in der die Katze ertrunken war, wohl noch immer im Tank war. Und dass Ruf gerade, ohne mit der Wimper zu zucken, dabei war, die nächste Milch dazu zu melken. Und dass morgen die Milch abgeholt werden würde.
    Nach der letzten Kuh begann Allmers, seine Unterlagen zusammen zu falten. Claus Ruf sagte: „Moment, da kommen noch ein paar.“
    „Hast du welche gekauft, oder sind es Färsen aus deinem eigenen Betrieb?“, fragte Allmers genervt. Er war erschöpft und wollte so schnell wie

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