Milchfieber
Gebrauchtwagenhändlern nach etwas Passendem zu suchen. Der Golf, den er in Bützfleth, ein paar Dörfer weiter, entdeckt hatte, gefiel ihm auf Anhieb. Es war ein alter Diesel, nicht viel gelaufen und vor allen Dingen rot. Winkler liebte rote Autos. Seit er den Führerschein hatte, standen rote Autos auf seinem Hof.
Wie viel der kosten solle, wollte er wissen. Der Händler sah gelangweilt von seiner Illustrierten auf. Winkler schien kein Geschäft zu versprechen.
„Dreifünf“, sagte er nur und las weiter.
„Den nehme ich“, sagte Winkler ohne zu Zögern. „Ich brauche aber eine Rechnung.“
„Ohne Probefahrt?“, wunderte sich der Händler.
Winkler nickte nur.
„Ich hole ihn morgen ab“, sagte er, „kannst du die Papiere fertigmachen?“
„Kein Problem.“
„Kannst du zwei verschiedene Rechnungen schreiben? Eine für dich über dreifünf und eine für mich über vierfünf?
„Ungern“, sagte der Händler, „Wenn das Finanzamt das merkt, gibt’s Ärger.“
„Das ist privat“, meinte Winkler leichthin, „das kriegt keiner mit. Es ist wegen meiner Frau.“
Der Händler lachte: „Der alte Trick. Der Alte trickst!“
Lissy hob am nächsten Tag viertausendfünfhundert Euro vom Sparbuch ab. Die ergaunerten tausend Euro, (da er sich quasi selbst beschummelt hatte, hielt sich sein schlechtes Gewissen in Grenzen), versteckte Horst in der Werkstatt hinter den Nägeln.
„Bei mir ist das Sparbuch nicht eingelöst worden“, meinte die Bankangestellte. „Haben Sie die Nummer im Kopf, oder soll ich sie heraussuchen? Dann kann ich mal im System nachschauen.“
Winkler überlegte und als sie ihm nicht einfiel, suchte Claudia von der Fecht die Nummer heraus.
Ihr betroffenes Schweigen ließ Winkler das Schlimmste befürchten.
„Das Sparbuch ist in den letzten Wochen kontinuierlich geleert worden“, sagte sie mit leiser Stimme. „Bei unserer Filiale in Stade. Jetzt sind da noch genau 34 Euro und 45 Cent Guthaben verzeichnet.“ Sie sah ihn mitleidig an.
„Sie bekommen aber noch Zinsen“, fügte sie beruhigend hinzu.
„Ich muss zur Polizei“, sagte Winkler. Er war erstaunt über seine Kaltblütigkeit.
Claudia von der Fecht erwiderte nur: „Das können Sie bleiben lassen.“
Als sie Winklers ratloses Gesicht sah, erklärte sie: „Ihre Frau hat nichts Strafbares getan. Sie hatte oder hat sogar noch immer Zeichnungsberechtigung für alle ihre Konten. Auch wenn sie einen immensen Schaden anrichtet: die Polizei ist nicht dazu da, zu verhindern, dass sich Ehepaare gegenseitig in den Ruin treiben.“
„Was soll ich jetzt machen?“, fragte Winkler.
„Erwarten Sie noch Geldeingänge?“, fragte die Bankangestellte.
„Das Milchgeld“, sagte Winkler. „Heute ist doch der vierzehnte?“
„Die Molkerei zahlt immer Mitte des Monats aus, oder?“, fragte Claudia von der Fecht. Als Winkler nickte, senkte sie verschwörerisch die Stimme, als ob jemand sie belauschen könnte: „Wenn ihre Frau morgen hier auftauchen sollte und eventuell das Geld abheben will, sage ich einfach, es sei noch nicht da. Ich rufe auch alle Filialen an, das bekommen wir schon hin.“
Winkler dankte ihr und verließ erschöpft die Bank. Fieberhaft überlegte er, wohin Lissy das ganze Geld gebracht haben könnte. Sie hatte alles verkauft, was zu Geld zu machen war. Normalerweise, dachte er, bekommt man das Geld für einen verkauften Trecker nicht in bar ausgezahlt. Er musste herausfinden, wer die ganzen Käufer waren, die sich auf seinem Hof bedient hatten.
Aber er hatte nicht mit Lissys Gerissenheit gerechnet. Am nächsten und auch am übernächsten Tag kam kein Geld von der Molkerei. Schließlich rief er dort an.
„Ihre Frau hat doch vor ein paar Tagen die Kontoverbindung geändert“, erklärte ihm eine erstaunte Sachbearbeiterin, „wir haben das Geld natürlich pünktlich überwiesen.“
Winkler wollte wortlos den Hörer auflegen, als die Frau ins Telefon rief: „Herr Winkler, wenn Sie das nächste Mal keine Milch abliefern können, sagen Sie doch bitte vorher Bescheid. Der Milchwagen ist schon zweimal umsonst zu Ihnen gefahren“.
Winkler legte auf.
Bis auf die Schweine hatte ihm Lissy alles genommen.
Fritz Weber leitete die örtliche Polizeistation und kannte Winkler seit der gemeinsamen Schulzeit. Er gab der Frau von der Bank Recht, als Winkler ihm alles erzählte.
„Da können wir nichts machen“, sagte er. „Horst, da bist du gelinkt worden und zwar nach Strich und Faden. Das wird schwer werden
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