Milchfieber
Küche der Bauern setzen müssen, man hatte einen Schnaps oder ein Bier getrunken und noch eine Weile geredet, während lange Listen ausgefüllt worden waren.
Alles vorbei, dachte Allmers. Ich komme zur Milchkontrolle und verlasse den Hof sofort wieder. Zeit für einen gemütlichen Klönschnack hatte sich tatsächlich nur noch Hella Köhler genommen. Den meisten anderen Bauern fehlt mittlerweile die Zeit dazu.
Und Kuchen? Das gab es wirklich schon immer nur bei Hella.
„Wenn du so eine Lust auf Kuchen hast“, schlug ihm Wiebke vor, „backe ihn dir doch selbst. Du hast doch ein paar Rezepte von ihr aufgeschrieben.“
Das Projekt eines Backbuchs war mit Hellas Tod beendet gewesen und Allmers hatte die entsprechende Datei auf seinem Laptop nicht wieder geöffnet.
Nach der Aufforderung von Wiebke, fand er, war die Zeit gekommen. Feierlich zog er den Pfeil auf die Datei auf seinem Laptopbildschirm.
Als die Rezepte aus den Tiefen des Computers hervorgekramt wurden und er die Namen der Kuchen las, hatte er einen Kloß im Hals.
„Amerikaner“, las er. „Schwäbischer Käsekuchen, Sachertorte, Käsesahne, Petits Fours…“ Ungeordnet, so wie ihr die Rezepte eingefallen waren, hatte Hella sie ihm diktiert.
Er solle nicht mit dem Schwierigsten beginnen, hatte ihm Wiebke geraten und das Haus verlassen. Allmers hatte darauf bestanden, die Küche ganz für sich alleine zu beanspruchen, er wollte bei seinen ersten Versuchen ungestört sein.
Er entschloss sich, obwohl Hella sicher dagegen gewesen wäre, mit einem Marmorkuchen zu beginnen. Er schien ihm am einfachsten. Hella Köhler hatte keinen gemocht und ihn immer gebacken, wenn der Besuch ihr nicht wichtig war.
„Ein Pfund Mehl“, las er , „ein ¼ Pfund Zucker, ½ Pfund Butter.“
Daraus und aus weiteren Zutaten sollte er, so hatte es jedenfalls Hella ihm diktiert, einen Rührteig machen.
Allmers war ratlos. Er suchte lange in den Kochbüchern von Wiebke, bis er eines fand, in dem beschrieben stand, wie man einen Rührteig macht.
Er benötigte zwei Stunden, bis die Form endlich mit dem Teig gefüllt war. Und eine ganze Stunde, um die Spuren seines Kampfes mit Zucker, erwärmter Butter, Mehl, Eiern und Kakaopulver zu beseitigen.
„Na?“, fragte Wiebke jovial, als sie von der Arbeit in der Apotheke wieder nach Hause kam. „Schon fertig?“
Allmers saß erschöpft am Tisch und sah auf die Uhr.
„Noch zwanzig Minuten, dann müsste er fertig sein“, sagte er, „kannst du ihn aus dem Backofen nehmen? Ich muss zu Dammann, zur Kontrolle.“
„Willst du ihm nicht ein Stück mitbringen?“
„Der ist für uns!“ bestimmte Allmers, „aber ich lasse mich sofort scheiden, wenn du sagst: Schmeckt gut, aber den brauchst du nicht mehr zu backen.“
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