Milchschaum
wusste, dass Klein seit dem Tod seiner Frau keine Kirche mehr betrat. Bäuerin Klein war vor gut zehn Jahren gestorben, lang bevor Pfarrer Winzig seinen Dienst in Birkdorf angetreten hatte.
»Hätte Bauer Klein für die Tat nicht ein klitzekleines Motiv haben müssen?«, fragte Fanni ihren Mann.
Hans Rot schnaubte: »Er hat nicht bloß ein Motiv gehabt, er hat den Mord sogar angekündigt. Hast du das vergessen? Ein Jahr ist es jetzt her oder vielleicht ein bisschen länger, da hat sich das Flittchen vom Klein-Hof in den Kopf gesetzt, ihren Bankert taufen zu lassen. Das Balg war schon fünf Jahre alt. So ein Witz. Kinder werden im ersten Lebensjahr getauft, und damit basta. Aber Pfarrer Winzig hätte es gemacht. Er hätte das tschechische Balg getauft, weil er als Priester dazu verpflichtet ist. Freilich – Pfarrer Winzig hat Bedingungen gestellt. Er hat verlangt, dass der alte Klein wieder regelmäßig in die Kirche geht und dass er sich künftig in der Kirchengemeinde nützlich macht. ›Ich finde schon eine passende Aufgabe für den alten Gotteslästerer‹, hat ihm der Pfarrer ausrichten lassen. Da ist der Alte ausgerastet – fällt es dir jetzt wieder ein?«
Fanni erinnerte sich.
Klein hatte getobt.
Zu Recht, wie Fanni meinte. Es stand dem Pfarrer nicht an, Klein zu erpressen. Der Pfarrer hatte das Kind vorbehaltlos zu taufen.
So wie Fanni dachten allerdings die wenigsten. Erlenweiler stand geschlossen hinter dem Pfarrer. Klein sah sich in die Enge getrieben, aber nachgeben kam für ihn nicht in Frage.
Zu Recht, fand Fanni erneut.
Leider hatte Klein wie so oft den Fehler gemacht, seine Wut laut hinauszuposaunen. Gift und Galle hatte er in Richtung Pfarrer Winzig gespuckt. Da waren auch Sprüche wie »Die fette Sau mach ich fertig« oder »Ich schlag dem Pfaffen den Schädel ein« darunter gewesen.
Aber das wollte nichts heißen, Klein war halt so, er schimpfte und fluchte gern.
Alles hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst, als sich Olga mit dem Pfarrer vom Bogenberg in Verbindung setzte, der sofort zusagte, das Kind zu taufen, ohne weitere Fragen oder gar Forderungen zu stellen. Damit gab es für Bauer Klein auch keinen Grund mehr, Pfarrer Winzig an die Gurgel zu springen.
»Meine Güte, Hans«, sagte Fanni, »wenn der Klein jeden umgebracht hätte, dem er schon mal Erwürgen, Abmurksen, Massakrieren und sonst was angedroht hat, dann wären Erlenweiler und Birkdorf längst ausgerottet.«
Ihr Mann sah sie böse an. »Falsch! Bauer Kleins nächste Nachbarin und erklärte Busenfreundin, Fanni Rot, würde noch leben.«
Wie Bauer Klein steht auch sie in Verdacht, den Birkdorfer Pfarrer erschlagen zu haben!
Fanni räusperte sich. »Es wird, so scheint es, wie wild beschuldigt und verdächtigt. Dass ich es war, die den Toten entdeckt hat, macht auch mich bereits zur potenziellen Mörderin.«
Hans Rot sah von seinem Teller auf. »Wer weiß denn, dass du ihn entdeckt hast?«
Fanni starrte ihren Mann verblüfft an. »Du hast nicht …?«
»Natürlich nicht«, antwortete Hans Rot. »Bis jetzt hat mich keiner gefragt, woher ich wusste, dass der Pfarrer auf dem Friedhof zusammengebrochen war. Und ich habe es wohlweislich für mich behalten. War doch klar, dass man dich verdächtigen würde.«
Fanni schnappte nach Luft. »Als Mörderin?«
»Meine Güte, Fanni«, rief Hans Rot ungehalten. »Jetzt tu doch nicht so naiv. Du hattest ein Motiv – was sag ich, zehn Motive.«
»Mo… Mordmotive?«, stotterte Fanni.
»Seit Winzig Pfarrer von Birkdorf ist«, erklärte Hans Rot schulmeisterlich, »hast du kein gutes Haar an ihm gelassen.« Er begann an den Fingern aufzuzählen: »Winzig sollte erst mal seine Fresssucht in den Griff bekommen, bevor er unseren Kindern vorhält, was falsch und was richtig ist.
Winzig hat da wohl was missverstanden, er soll Gott dienen, nicht ihn ersetzen wollen.
Winzig wäre als Gefängniswärter besser platziert – und so weiter und so fort.«
»Zehn Mordmotive«, wiederholte Fanni und hätte beinahe gelacht.
Ihr Mann stand auf und verließ das Haus. Es war höchste Zeit, wieder ins Büro zu fahren.
Fanni seufzte, blieb am Tisch sitzen und resümierte: Pfarrer Winzig ist ermordet worden. Fragt sich, von wem. Der Frauenbund verdächtigt den Gastpriester aus Togo. Hans Rot – sicherlich unterstützt von seinen Vereinsbrüdern – verdächtigt Bauer Klein. Irgendwie ist durchgesickert, dass ich die Leiche gefunden habe. Also werde auch ich verdächtigt. Aber ich war’s
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