Miles Flint 02 - Die Lautlosen
Dann nickte er und ging von dannen.
Klein kam zu ihr. Sein Gesicht war gerötet, und seine Augen glänzten mehr, als sie es hätten tun sollen. Oliviari fragte sich, ob ihre Augen auch so aussahen.
»Lassen Sie mich Ihnen etwas gegen das Fieber geben«, sagte er. Ohne auf ihre Erlaubnis zu warten, bohrte er ihr etwas in den Arm. Die Muskeln schmerzten inzwischen so sehr, dass sie gar nicht mehr richtig fühlte, was er tat.
»Sie sehen selbst nicht allzu gut aus«, bemerkte sie.
Er lächelte. »Ich halte durch … vorerst.«
»Hören Sie«, sagte Oliviari, »wenn alles normal verläuft, dann wird es manche von uns schneller treffen als andere. Niemand hatte Zeit, das Virus wirklich zu studieren, jedenfalls nicht, solange es im menschlichen Körper aktiv war, aber die Theorie besagt …«
Sie hielt einen Moment inne, als ihr bewusst wurde, wessen Theorie sie zum Besten geben wollte. Sie hatte so viele Artikel gelesen, die meisten geschrieben von Frieda Tey unter Pseudonym, und die hatten samt und sonders dem Versuch gedient, ihren Ruf wiederherzustellen.
»Die Theorie besagt …?«, hakte Klein nach. Anscheinend dachte er, Oliviari hätte einfach vergessen, was sie hatte sagen wollen.
»Die Theorie besagt, dass manche Leute gewisse Proteine …« Proteine? War das das richtige Wort? Ihr Kopf fühlte sich wirr an. »… oder vielleicht waren es … Ich weiß es nicht. Irgendwas auf zellulärer Ebene, in großer Menge oder wenigstens ausreichender Menge, das sich auf dieses Virus auswirkt, während andere Leute, die weniger von diesem … was auch immer … Tut mir so leid. Ich kann mich einfach nicht mehr an die Einzelheiten erinnern.«
»Ich bin überzeugt, wir werden sie finden«, sagte Klein.
Oliviari schüttelte den Kopf. Die Bewegung machte sie schwindelig, und sie legte die Hand an die Wand, um sich abzustützen. »Bringen Sie irgendeinen Mitarbeiter her, einen, der noch keine Symptome zeigt.«
Wortlos verschwand Klein in dem Gewühl der Leute. Oliviari hielt sich mit Hilfe ihres Arms aufrecht und lauschte dem Husten, dem Jammern und dem Stöhnen um sie herum. Ein junger Mann übergab sich in einen Eimer – der Geruch brachte auch ihren Magen in Wallung. Eine ältere Frau saß auf der Bettkante, die Arme um die Beine geschlungen, und wiegte sich vor und zurück.
Klein kam zurück und hatte eine junge Frau im Schlepptau. Sie war so winzig, dass sie aussah, als wäre sie nicht älter als Zwölf. Aber sie hatte Fältchen um den Mund, und ihre Augen, groß und braun, bargen eine Weisheit und Ruhe, die stets mit dem Alter einherschritt.
Oliviari fragte sich, wie viele Modifikationen diese Frau wohl hatte vornehmen lassen – und dann erinnerte sie sich an einen weiteren Artikel. Modifikationen schwächten den Körper und machten die Empfänger empfindlicher als alle anderen.
Aber es war zu spät, diese Frau zu warnen. Vermutlich war es für sie alle eh längst zu spät.
Trotzdem musste Oliviari es versuchen. »Einer von Ihnen zeichnet das auf. Sorgen Sie dafür, dass andere erfahren, dass Sie die Aufzeichnung haben.«
»In Ordnung«, sagte die Frau und berührte einen Chip an ihrer Hand. »Bereit.«
»Wenn die neuen Dekon-Einheiten geliefert werden«, sagte Oliviari, »müssen Sie dafür sorgen, dass jeder durchgeschickt wird. An allen Einheiten gibt es eine Schalttafel, an der die Spezifikationen abgerufen werden können. Vergewissern Sie sich, dass sie mit dem Tey-Virus zurechtkommen. Sie werden selektieren müssen. Sie fangen mit den Leuten an, die Fieber haben, sonst aber keine ernsten Symptome zeigen, und arbeiteten sich zu den Leuten vor, die gar keine Symptome haben.«
»Was ist mit den Leuten, die Symptome haben?«, fragte die junge Frau und ließ ihren Blick über die Betten schweifen.
»Die Kränksten sind zuletzt an der Reihe«, antwortete Oliviari. »Das Tey-Virus war bisher erst an einem einzigen Ort aktiv, und es wurde nie in einer Dekon-Einheit getestet. Aber nach allem, was ich gesehen habe …«
Eine Woge der Benommenheit brach über sie herein, und sie musste sich zwingen fortzufahren.
»… nach allem, was ich gesehen habe«, sagte sie, »dauert es einige Zeit, bis diese Einheiten das Virus unschädlich gemacht haben. Wenn der Patient aber keine Zeit mehr hat oder es zu viele Infizierte gibt, werden sie so oder so sterben. Also setzen Sie diese Einheiten klug ein. Vielleicht lassen Sie sich die Rechnerei von jemandem abnehmen – wie lange es dauert, die Leute durch die Einheit
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