Miles Flint 02 - Die Lautlosen
sie haben entschieden, dass es wichtiger wäre herauszufinden, was mit Rabinowitz passiert ist. Von da aus ist der Schritt nicht mehr groß, auch in Bezug auf Tey das Richtige zu tun.«
»Ich werde tun, was ich tun muss«, entgegnete Wagner.
Flint unterdrückte einen Seufzer. Was sich noch vor nicht einmal einer halben Stunde wie ein aufrichtiges Gespräch dargestellt hatte, schien nun jegliche Offenheit verloren zu haben. Vielleicht hegte Wagner irgendeinen Hintergedanken, einen, den Flint nicht erkennen konnte. Vielleicht hatte es etwas mit dem Machtkampf in der Kanzlei zu tun oder auch mit Tey selbst.
Flint würde all das unter die Lupe nehmen. Und er würde es tun, ehe er auch nur in Erwägung ziehen würde, sich auf die Suche nach Frieda Tey zu begeben.
20
D eRicci konnte den Gerichtsmediziner nicht erreichen. Stattdessen hinterließ sie eine Nachricht, in der sie erklärte, dass der Filter eingeschaltet gewesen sei, als Zweig zum letzten Mal vor der Kamera aufgetaucht war, und ausgeschaltet, nachdem sie gestorben war.
Außerdem erwähnte DeRicci, dass keine Totenstarre erkennbar gewesen sei und ihre Bedenken hinsichtlich des Todeszeitpunkts. Sie ging davon aus, dass ein paar Botschaften in diesem Punkt nicht schaden würden und sie den Gerichtsmediziner so vielleicht dazu bringen konnte, einigermaßen prompt Kontakt zu ihr aufzunehmen.
Auf der Wand war nach wie vor das Rennen zu sehen. DeRicci versuchte, nicht hinzusehen. Es war inzwischen schlicht unwichtig geworden.
Als sie mit dem Gerichtsmediziner fertig war, kontaktierte sie van der Ketting, um sich die Namen der Läufer geben zu lassen, die die Leiche passiert hatten, bevor Coburn eingetroffen war. Van der Ketting hatte sich die Information besorgt, indem er sich die Bilder angesehen hatte, die zwischen Zweig und Coburn aufgenommen worden waren, und die Startnummern notiert hatte.
Mit einer Ausnahme hatten all diese Leute, die Zweig passiert hatten, das Rennen unter den ersten zwanzig beendet, was kaum überraschen konnte. Die einzige Ausnahme hatte sich bei Meile Dreizehn den Fuß gebrochen. DeRicci musste das medizinische Versorgungszelt aufsuchen, um mit ihr zu sprechen, oder sie wände jemanden anderen hinschicken müssen.
Überraschend war jedoch, dass van der Ketting ihr berichtete, all die anderen Läufer seien auch von der zweiten Kamera eingefangen worden, der Kamera, die Coburn gezeigt hatte, als er Zweigs Leiche angesehen hatte. Der Kamera, die aus irgendwelchen Gründen nichts aufgezeichnet hatte, als Zweig vorbeigekommen war.
»Ich denke, der Mörder könnte sie abgeschaltet haben«, sagte van der Ketting. »Vielleicht hat er direkt an der Kamera auf sie gewartet.«
DeRicci hatte sich nicht festgelegt. Die Theorie besaß eine hübsche Logik, reichte aber nicht, um alle Details zu erklären.
Sie hatte die Startnummern dem Uniformierten außerhalb des Raums genannt und ihn gebeten, die Leute aufzuspüren, mit denen sie reden musste. Die erste Person war die Frau, die den Marathon gewonnen hatte: Shira Swann.
Swann war eine große, kräftig gebaute Frau. Ihr dickes, lockiges Haar war so kurz geschnitten, dass DeRicci für einen Moment tatsächlich dachte, Swann könnte eine Glatze haben.
Swann stolzierte herein und sah nicht im Mindesten ermattet von den Anstrengungen des Tages aus.
»Warum werden wir hier festgehalten?«, fragte sie, ehe DeRicci irgendetwas sagen konnte. »Es sollte uns freistehen, jederzeit zu gehen.«
»Eine Frau wurde ermordet. Wir befragen jeden hier.« DeRicci deutete auf einen der Stühle.
Swann ignorierte die Geste. »Benötige ich dann einen Anwalt?«
»Ich weiß nicht«, antwortete DeRicci. »Brauchen Sie einen?«
Einen Moment lang starrten sie einander nur an, und es war unverkennbar, dass Swann es ihr nicht leicht machen würde.
Endlich musste DeRicci doch Konzessionen machen. »Das ist nur eine oberflächliche Befragung, überwiegend zu Informationszwecken, damit wir den zeitlichen Ablauf ermitteln können. Jeder ist ein Verdächtiger; aber das ist mehr eine Formalie. Sie können einen Anwalt haben, wenn Sie einen wollen, aber das wird die Sache nur hinauszögern, umso mehr, da wir voraussichtlich nur einmal mit Ihnen werden reden müssen.«
Swann starrte den Monitor hinter DeRicci an, und für einen Moment war DeRicci nicht überzeugt, dass die Frau sie auch nur gehört hatte.
»Wissen Sie«, sagte Swann dann mit ihrer tiefen Stimme, »es war immer mein Traum, diesen Marathon zu
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