Miles Flint 04 - Das Marsgrab
Luftschleuse. Flint überzeugte sich, dass die Umweltkontrolle in der Luftschleuse aktiviert war, ehe er die Leiche hineinschaffte.
Drinnen benutzte er eines seiner kleinen, chirurgischen Skalpelle, um Nortons ID-Chips ebenso zu entfernen wie alle sichtbaren Vernetzungschips. Die Chips legte er in die Nähe der Außenluke, ehe er die Leiche ebenfalls an diese Luke lehnte.
Als er fertig war, verließ er die Luftschleuse und kehrte in das Innere des Schiffs zurück. Er arbeitete ohne Pause, ließ sich aber Zeit und achtete darauf, wirklich kein Detail zu übersehen. Selbst mit Hilfe seiner Bots brauchte Flint Stunden, um das Schiff zu reinigen.
Endlich ging er wieder ins Cockpit und überprüfte die Position der Jacht. Bis zum Mond lag immer noch ein langer Weg vor ihm. In der Umgebung waren keine anderen Schiffe zu sehen, und seine Scans förderten ebenfalls nichts zutage.
Sein Magen verkrampfte sich. Er hielt nichts davon, ein menschliches Wesen – selbst einen Mörder wie Norton – so zu behandeln. Aber er hatte keine Wahl.
Selbst wenn er es schaffen würde, die Befragungen zu überstehen, DeRicci wäre in jedem Fall geliefert. Niemand würde den Tod eines Menschen zum Vorteil der Disty akzeptieren. Wenn aber niemand Fragen über Norton stellte, dann würde einfach jeder annehmen, er sei auf dem Mars verschollen. So etwas passierte oft genug.
Flint schaltete eine der internen Kameras an und betrachtete die Leiche in der Luftschleuse. Norton sah überhaupt nicht bedrohlich aus, er sah bedauernswert aus, ein Mann, der nie eine Chance gehabt hatte, seit seine ganze Familie ermordet worden war, als er noch ein kleiner Junge gewesen war.
Flint hatte sich auf Nortons Wort verlassen müssen, dass er Jørgen und vielleicht noch andere ermordet hatte. Er bezweifelte, dass er selbst nun noch weitere Nachforschungen anstellen würde.
Sollte Norton nämlich gelogen haben, würde er, Flint, das nur ungern herausfinden.
Flint überprüfte noch einmal die Anzeigen seiner Instrumente. Die Emmeline warallein hier draußen. Er war allein.
Er drückte auf einen Sensor auf seinem Konsolenschirm und öffnete so die Außenluke.
Nortons Leiche wurde hinausgesogen, zusammen mit den flirrenden Chips. Die Chips wurden sofort in alle Richtungen zerstreut. Die Leiche trieb davon, als strebe sie einem ganz eigenen Abenteuer entgegen.
Flint schloss die Außenluke. Dann griff er auf die Triebwerkskontrolle zu und erhöhte die Geschwindigkeit, jagte aus dem Gebiet heraus, in dem er die Leiche ausgesetzt hatte.
Lange blieb er mit gesenktem Kopf vor der Konsole sitzen. Dann, endlich, fiel ihm ein, dass er DeRicci kontaktieren sollte, doch als er es tat, beschränkte er sich auf eine reine Audionachricht.
»Flint hier«, meldete er sich. »Ich habe die Überlebenden den Disty übergeben, aber das weißt du vermutlich schon. Ich hoffe, die ganze Sache funktioniert. Und jetzt, da ich schon hier draußen bin, weg vom Mond, habe ich mir überlegt, ich könnte die Jacht einmal so nutzen, wie du es mir schon lange rätst. Ich werde einen kleinen Urlaub machen. In einem Monat oder so bin ich zurück, dann können wir reden. Gute Arbeit, übrigens.«
Und damit meldete er sich ab. Die Botschaft schickte er verschlüsselt über einen langsamen Kanal, sodass sie erst eintreffen würde, wenn er längst zu weit weg wäre, um eine Antwort zu empfangen.
Er wollte nicht, dass DeRicci sah, wie erschüttert er tatsächlich war.
Er steuerte das Schiff von der programmierten Route zum Mond fort und zu den Außenbereichen des Solarsystems. Bisher war er nur auf dem Mond, dem Mars und der Erde gewesen. Zeit, ein paar andere Planeten zu sehen oder einfach nur für eine Weile allein zu sein, eine lange Reise zu machen, mit niemandem zu reden und an nichts zu denken.
Er fühlte sich unrein, kontaminiert, und er bezweifelte, dass es irgendetwas geben könnte, das ihm dieses Gefühl wieder nähme.
68
D eRicci erhielt Flints verschlüsselte Botschaft, bevor sie sich mit Bowles und der Generalgouverneurin zum Interview traf. Seine Stimme klang fest und kraftvoll – zufrieden über den erfolgreichen Transfer. Zufrieden genug, sich endlich die dringend benötigte Auszeit zu gönnen. DeRicci wünschte, sie könnte es Flint gleichtun.
Sie gab sich alle Mühe, nicht nervös zu wirken. Bowles war in ihr Büro gekommen. Ihre Mitarbeiter hatten dieses zuvor vorbereitet, die Möbel umgerückt und den Tisch nach hinten geschoben, sodass niemand ihn benutzen
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