Miles Flint 05 - Paloma
den Mord nicht selbst ausgeführt hatte. Er hatte nicht einmal den Auftrag dazu erteilt. Alles, was er getan hatte, war, eine kleine Information weiterzugeben, eine, die den Attentätern jahrzehntelang entgangen war.
Flint schmeckte Galle in seiner Kehle.
Ignatius hatte Angst vor dem Mann, vor seinem eigenen Bruder, und wie sollte er auch nicht? Zu beweisen, dass Justinian seinen Eltern die Attentäter auf den Hals gehetzt hatte, dürfte unmöglich sein.
Und selbst, wenn Flint es versucht hätte, Justinian standen alle Mittel und Wege der größten und einflussreichsten Anwaltskanzlei des Mondes zur Verfügung.
Und wenn Flint diese Kanzlei – oder Justinians Zuhause beträte, um den Mann auszuschalten, wäre er immer noch mit den gleichen Mitteln und Wegen konfrontiert. Würde Flint Justinians Leben beenden, so wäre auch sein eigenes Leben beendet.
Wenn DeRicci sich beruhigt hatte, würde Flint ihr von seinem Verdacht erzählen. Aber ihm war bewusst, dass auch sie nicht die Schlagkraft besaß, es mit WSX aufzunehmen.
Es gab nur eine Möglichkeit, den Mann aufzuhalten.
Eine Möglichkeit, vor der er sich von Anfang an gefürchtet hatte.
Und Flint würde sehr schnell handeln müssen.
68
K i Bowles war noch nie zuvor in eine Anwaltskanzlei bestellt worden. Sie brachte die ganze Fahrt zum Büro von van Alen und Partner damit , zu, sich Sorgen darüber zu machen, diese Sache hätte irgendetwas mit ihrer Entlassung zu tun. Für alle Fälle hatte sie sogar schon ihren Manager und ihren Anwalt vorgewarnt.
Folglich war sie extrem verwundert, als sie, nachdem man sie in Maxine van Alens gewaltiges Büro befördert hatte, dort Miles Flint auf einem Stuhl neben dem Schreibtisch sitzen sah. Er sah viel entspannter aus als am Tag zuvor, aber etwas an ihm – die Skepsis in seinen Augen, die Kummer falten im Gesicht – ließ ihn älter aussehen als je zuvor.
Van Alen stand neben ihm und sah königlich aus. Sie hatte auf Bowles immer schon einschüchternd gewirkt, einschüchternd genug, dass Bowles es nicht einmal fertiggebracht hatte, sie um ein Interview zu bitten, und jetzt war dieses Gefühl noch viel stärker.
»Zunächst«, sagte van Alen, »müssen Sie ein Vertraulichkeitsabkommen unterzeichnen. Dann werden wir uns mit Ihnen unterhalten.«
Das Abkommen, das sie über ihre Links empfing, schien endlos zu sein. Es war ein richtiges Dokument mit Videotext und Links zu Glossaren für juristische Fachbegriffe.
Flint zappelte ein wenig auf seinem Stuhl herum, als Bowles das Dokument begutachtete. Offensichtlich war er nicht annähernd so entspannt, wie er sich gab.
Als sie unterzeichnet hatte, erkundigte sich van Alen, ob sie sich vor Wagner, Stuart und Xendor fürchte.
Beinahe hätte Bewies gesagt, »Teufel auch, ich fürchte mich schon vor Ihnen. Dann können Sie sich ja wohl vorstellen, wie es mir mit denen ergeht.« Aber sie tat es nicht.
Stattdessen fragte sie schnippisch: »Wer hätte da keine Angst?«
»Nun ja, wenn Sie sich nicht gegen sie behaupten können, werden wir jemand anderen suchen.«
Bowles streckte eine Hand aus. »Ich habe Ihr verdammtes Abkommen unterzeichnet. Jetzt sagen Sie mir wenigstens, was Sie von mir wollen, ehe sie beschließen, dass ich nicht dafür geeignet bin.«
Also erzählte Flint ihr von Paloma, von ihrer Beziehung zu dem alten Wagner und davon, welch furchtbaren Tod beide gefunden hatten, und dass sich irgendwo in den Dateien von WSX der Grund dafür finden ließe.
»Wenn Sie wollen, können Sie lebenslang die Exklusivrechte für diese Geschichte haben«, sagte er.
»Ist Ihnen klar, dass ich nicht mehr bei InterDome bin?«, fragte sie.
»Sie hätten dieses Angebot nicht erhalten, wenn Sie noch dort wären«, sagte van Alen. »Ich werde die Sache für Sie vermarkten. Vermutlich werden wir uns gar nicht an mondbasierte Medienunternehmen wenden, weil WSX zu den meisten von ihnen gute Verbindungen unterhält. Sind Sie interessiert? Das ist ein umfangreiches Projekt, das Sie lange Zeit beschäftigen wird.«
Interessiert? Sie fühlte sich, als wäre sie gerade ins Leben zurückgekehrt. Doch sie bemühte sich redlich, sich nichts anmerken zu lassen.
Stattdessen wandte sie sich an Flint. »Warum ich? Sie hätten zu einem Dutzend anderer Leute gehen können. Sie hätten das selbst durchziehen können. Warum haben Sie mich ausgewählt?«
Einen Moment lang musterte er sie forschend. Dann zuckte er mit den Schultern, als wollte ersagen: Sie haben darum gebeten.
»Sie
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