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Julians süßes Blut (German Edition)

Julians süßes Blut (German Edition)

Titel: Julians süßes Blut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Rhys Beck
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Zwei
     
     
    Von Anfang an
Seltsam vertraut
    Anne Steinwart
     
     
    Schweigend starrte er auf den Boden. Er hatte schon lange nicht mehr gesprochen. Sein Gaumen fühlte sich an, als wenn er nie wieder sprechen könnte. Er starrte auf seine zertrümmerte Hand. Er spürte sie unter dem dicken Gipsverband. Ein gutes Zeichen, hatten die Ärzte gesagt. Er fühlte ein dumpfes Pochen in seinem Kopf. In seinen Schläfen. Die dicke, wulstige Naht links über seinem Auge war heiß. Müde schloß er die Augen. Warum war das alles passiert? So gern hätte er jetzt geweint, aber seine Augen waren trocken. Er hatte keine Tränen mehr. Er öffnete die Augen wieder und starrte Monica an, die ihm gegenüber saß. Sah sie an, ihre langen schwarzen Haare, ihr zartes Puppengesicht, als sähe er sie zum ersten Mal.
    Dann räusperte er sich. »Laß mich bitte allein.« Seine Stimme klang rauh, leise.
    Doch Monica schüttelte den Kopf. »Ich möchte, daß du mit zu mir kommst. Pack ein paar Sachen, und wir fahren zu mir.«
    Zornig sah Julian sie an. »Nein, ich bleibe hier. Ich möchte hier allein sein.«
    Monica zuckte mit den Schultern, blieb jedoch sitzen. Sie betrachtete das Zimmer mit roten, verschwommenen Augen. Sie sah, wie Julian sich humpelnd erhob.
    »Geh jetzt bitte. Ich rufe dich an, wenn ich wieder jemanden sehen will.«
    »Du kannst hier nicht allein bleiben, Julian«, sagte Monica sanft. Sie betrachtete seine zierliche Gestalt, den dicken Gipsverband und das blau-angeschwollene Gesicht. »Du kannst dich nicht einmal selbst versorgen.«
    Wütend starrte er sie an. Und plötzlich schrie er: »Raus hier, verdammt noch mal! Ich will allein sein!« Seine grünen Augen funkelten sie an.
    Erschrocken stand Monica auf. »Beruhig’ dich erstmal«, sagte sie und machte einen Schritt auf ihn zu.
    Doch er wich zurück. »Wenn du nicht sofort verschwindest, flippe ich aus.« Er sagte es leise, zischend. Er duldete keinen Widerspruch mehr.
    Seufzend drehte Monica sich um und ging zur Wohnungstür. »Ruf mich an, wenn du mich brauchst, Julian.« Und dann sah sie ihn noch einmal prüfend an. »Und mach’ nichts Unüberlegtes.«
    Julian schwieg. Keine Miene seines Gesichts verriet seine Gedanken. Leise schloß er die Tür hinter Monica und ließ sich dagegen fallen. Was war nur passiert? Was – um alles in der Welt – war nur passiert? Mühsam humpelte er zu seinem Sessel zurück. Er sah sie dort liegen, im Bett auf der Intensivstation des Krankenhauses. Ihr langes Haar lag aufgefächert auf dem weißen Kopfkissen. Sie hätten es fast abrasiert, für die Operation, aber dazu war es nicht mehr gekommen. Wie entspannt sie aussah, wie friedlich. Wären da nicht die Schläuche und Kabel gewesen und die entsetzlichen Geräusche der medizinischen Geräte. Er hatte an ihrem Bett gesessen, bis zum Schluß. Sie konnten ihn nicht daran hindern. Er war sofort zu ihr gegangen, als die Nachwirkungen seiner eigenen Narkose es zuließen. Ja, natürlich war es ihm gleichgültig, daß er eine Gehirnerschütterung hatte, daß er im Bett bleiben sollte. Er hatte geweint an ihrem Bett, bis seine Tränen versiegt waren, denn er wußte es schon vorher. Er hatte es gewußt, als er sie gesehen hatte. Sie würden sie nicht mehr operieren müssen.
    Und er hatte bei ihr gesessen. Zum Glück hatte er bei ihr gesessen, als sie das letzte Mal die Augen aufschlug und ihn erkannte.
    »Julian, mein Baby«, hatte sie gesagt. »Du siehst aus, wie dein Vater.« Und er hatte Tränen in ihren Augenwinkeln gesehen. Denn auch sie wußte es.
    »Sei stark, Julian. Ich liebe dich.« Und sie hatte die Augen geschlossen und nicht wieder geöffnet. Julian hörte nicht mehr, wie die Geräte alarmiert aufheulten. Sah nicht mehr, wie die Ärzte in das Zimmer stürzten, um doch nur noch ihren Tod feststellen zu können. Er war einen Teil des Weges mit ihr gegangen. Jetzt war er allein. Und er hatte geschwiegen. Hatte nichts mehr gesagt. Nicht die Tage, die er noch selbst im Krankenhaus verbrachte, nicht an dem Tag, als sie ihn entließen. Nicht auf ihrer Beerdigung. Bis eben. Er hatte Monica rausgeschmissen, die sich die ganze Zeit um ihn gekümmert hatte. Aber er mußte allein sein. Endlich allein.
    Er quälte sich wieder aus seinem Sessel, um die Katzen zu füttern. Er würde sie hüten wie seine Augäpfel, die Katzen seiner Mutter. Dann kehrte er humpelnd in das Wohnzimmer zurück und öffnete die kleine, verborgene Schreibtischschublade. Das schmale rote Büchlein lag schwer in

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