Miles Flint 05 - Paloma
dazu, hatte er erst Palomas Dateien in Händen.
Außerdem hatte Wagner keine Ahnung, dass Flint über die Dateien hinaus im Besitz von Informationen war, die ihm schaden konnten. Dieses eine Mal gereichte die schiere Größe der Datensätze Flint zum Vorteil. Er konnte glaubhaft behaupten, dass er in den wenigen Stunden, die sie in seinem Besitz gewesen waren, keine Zeit gehabt hatte, sie zu untersuchen, umso weniger, da er während des überwiegenden Teils dieser Zeit auf der Flucht gewesen war.
Und auch das würde Wagner ihm abnehmen. Er mochte sich Sorgen darüber machen, dass Flint die Daten kopiert haben könnte, aber da Flint ihm sowohl die Originaldatensätze (auf der Lost Seas) als auch die Kopien auf dem Handheld (den Flint gesäubert hatte, so gut er nur konnte, sodass kein Hinweis auf irgendwelche anderen Datenübertragungen mehr zu finden war) überlassen würde, würde Wagner vermutlich davon ausgehen, dass Flint gar nicht genug Zeit gehabt hatte, um Kopien anzufertigen.
Und da es Monate dauern würde, Bowles die richtigen Informationen in der richtigen Reihenfolge zukommen zu lassen, würde Wagner schließlich glauben, Flint hätte nichts gegen ihn in der Hand. Und Wagner würde sich entspannen.
Flint hingegen würde hart arbeiten müssen. Er würde seine Kopien auf die Emmeline bringen, da sein Büro immer noch der Reinigung und Entwanzung harrte, Letzteres, da die Polizei die Räumlichkeiten mit größter Wahrscheinlichkeit auf den Kopf gestellt hatte. Vermutlich würde er sich irgendwo einmieten müssen, auf der Erde oder dem Mars, um eine weitereSicherheitskopie weit entfernt von Armstrong zu speichern, an einem Ort, an dem zu suchen Wagner nie in den Sinn käme.
Aber das war nachrangig.
Sobald die erste Story, die über die verlorenen Datensätze, veröffentlicht war, war WSX dem Untergang geweiht.
Es war nur eine Frage der Zeit.
Flint wünschte, er wäre schneller gewesen. Vielleicht hätte er Nyquist dann noch helfen können.
Inzwischen aber stand zumindest fest, dass Nyquist durchkommen würde. Er hatte einen furchtbaren Genesungsprozess vor sich – einen, bei dem nicht feststand, dass er am Ende wieder ganz gesund wäre –, aber er würde es schaffen.
Flint wusste, wie das war. Er war während eines Falles arg zerschlagen worden, wenn auch nicht zerschnitten, und die Monate voller Schmerzen, die Nanobots, die alle möglichen Dinge in seinem Leib reparierten, das medizinische Personal, das mal hier und mal dort irgendetwas untersuchen wollte, das alles war nichts, was er einem Menschen wünschen würde, den er hoch achtete.
Teufel, das würde er nicht einmal jemandem wünschen, den er nicht ausstehen konnte.
DeRicci war nicht von Nyquists Seite gewichen, seit die Sanitäter ihn in das beste Krankenhaus von ganz Armstrong gebracht hatten. Flint war eingesprungen, um dafür zu sorgen, dass Nyquist die bestmögliche Behandlung erhielt – normalerweise konnten sich Detectives keine Spitzenärzte leisten –, und dann hatte er DeRicci alles Weitere überlassen. Sie hatte Nyquists Mutter aufgespürt und die Frau mit einem Hochgeschwindigkeitszug nach Armstrong geholt, aber DeRicci hatte auch keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie – nicht seine Mutter – sich um ihn kümmern würde.
Flint war der Ansicht, dass das für jemanden, der den Mann drei Monate zuvor nicht einmal gekannt hatte, ein enormes Maß an Hingabe darstellte.
Aber Flint lernte so oder so viel über Hingabe. Paloma wäre noch am Leben, hätte sie vollständig auf persönliche Beziehungen verzichtet, so, wie sie es ihm geraten hatte. Nicht nur, dass sie gegen ihre eigenen Regeln verstoßen hatte, sie hatte nicht einmal versucht, sich von ihrer Familie fernzuhalten.
Hatte sie gewusst, wie das einmal enden würde? War das der Grund, weshalb sie ihm zum Verzicht geraten hatte?
Er schüttelte den Kopf.
Er hatte immer noch nicht alles verarbeitet, was er über Paloma hatte erfahren müssen. Er nahm an, es würde noch genauso lange dauern, seine Gefühle für sie zu verstehen, wie es dauern würde, ihre Kanzlei zu zerstören.
Auf dem Korridor ließ er sich auf einen Stuhl fallen.
Nun war er wirklich und wahrhaftig auf sich allein gestellt. Und die einzige Möglichkeit, nicht noch einmal so überrollt zu werden, bestand darin, dafür zu sorgen, dass er auch allein bliebe.
Wie Paloma es ihm geraten hatte.
Vor all diesen Jahren.
Weitere Kostenlose Bücher