Mina (German Edition)
Dinge in meinem Leben. Vor allem EINE SEHR, SEHR TRAURIGE UND SCHRECKLICHE SACHE. Komischerweise führen die traurigen Dinge in meinem Leben dazu, dass ich die glücklichen viel stärker wahrnehme. Ich frage mich, ob das auch anderen Menschen so geht, ob sie den Eindruck haben, dass Traurigkeit auf eine merkwürdige Art und Weise helfen kann, glücklicher zu werden. So etwas nennt man paradox, glaube ich.
Was für ein Wort. Es hört sich gut an, sieht gut aus, und hat auch noch eine gute Bedeutung! Und wenn etwas paradox ist, ist es eine Paradoxie. Was ein noch viel besseres Wort ist!
Das ist die Art von Spitznamen, die ich gerne hätte! Nicht Typisch McKee, sondern Paradoxie McKee!
Oder Nonsensisch McKee.
Auf jeden Fall möchte ich meinen Worten dabei helfen, aus ihrem Käfig der Traurigkeit auszubrechen und vor Freude zu singen.
Weil ich gerade über die SEHR, SEHR TRAURIGE UND SCHRECKLICHE SACHE nachgedacht habe, weiß ich plötzlich, dass ich all das für Papa schreibe. Ich stelle mir vor, wie er mich betrachtet und meine Worte liest, während ich sie schreibe. Er wird überall in diesem Tagebuch sein, in meinen Gedanken und in meinen Worten, in den Lücken zwischen den Worten und in dem Raum hinter ihnen. Manchmal erzähle ich den Menschen, dass er starb, bevor ich geboren wurde, aber das stimmt nicht; ich habe ein paar Erinnerungen an ihn. Ich werde sie aufschreiben. Ich stelle mir vor, wie er mich von irgendwo weit hinter dem Mond beobachtet. Hallo, Papa! Ja, ich glaube, ich bin glücklich. Ja, ich glaube, Mama auch. Gute Nacht.
Ich schlüpfe wieder ins Bett. Der Mond, der alle verrückt macht, scheint auf mich herab. Endlich habe ich mit dem Tagebuch angefangen. Morgen werde ich weiterschreiben. Jetzt versuche ich, von Fledermäusen zu träumen und von Katzen und Eulen.
1 „Wandern“ und „wundern“ sind beinahe dasselbe Wort. Und wenn man durch die Welt wandert, ist das so ähnlich, wie wenn man sich in Gedanken wundert. Ich bin ein Wunderer und ein Wanderer!
Bananen, komische Kühe, ein schöner Baum und ein öder Himmel
Frühstück mit Mama. Bananen, Joghurt, Toast mit Marmelade. LECKER !
Ich habe ihr erzählt, dass ich mit meinem Tagebuch angefangen habe. Toll, meinte sie. Ich sagte ihr, dass ich ihr ein paar Seiten zeigen würde, wenn ich dazu bereit sei. Toll, meinte sie. Sie sagte, dass wir heute zusammen töpfern könnten. Toll, meinte ich. Dann ging ich nach draußen und kletterte auf meinen Baum. Und hier bin ich nun.
Ich liebe meinen Baum. Ich komme seit ein paar Jahren hier hinauf. Ich steige am Stamm bis zu einem Ast hoch, der ein kleines bisschen oberhalb meines Kopfes nach außen ragt. Auf diesen Ast setze ich mich rittlings, mit dem Rücken gegen den Stamm gelehnt. Manchmal lasse ich einfach die Beine baumeln. Manchmal ziehe ich die Knie an, damit ich ein Buch darauf ablegen kann. Es ist sehr gemütlich, als ob dieser Platz für mich gemacht wäre. Manchmal sitze ich stundenlang hier, male oder lese oder denke nach und schaue mich um, lausche und wundere mich.
Der Frühling hat gerade erst angefangen. Ein Amselpaar baut sein Nest, gar nicht weit von mir entfernt. Das Nest ist fast fertig. Das weiß ich, weil ich manchmal ein Stück nach oben klettere und vorsichtig nachschaue. Eines Tages werde ich hineinschauen und Eier darin liegen sehen. Dann Küken. Und dann werde ich die flügge gewordenen Vögelchen das Nest verlassen sehen. Ich werde sehen, wie die Vögelchen zu Vögeln werden, die in das blaue Blau davonfliegen. Das ist doch erstaunlich, nicht wahr?
Die beiden Amseln stoßen Warnschreie aus, als ich höher klettere. Es klingt so ähnlich wie: „He, benimm dich! KREISCH ! Runter mit dir, Mädchen! KREISCH !“ Aber ich glaube nicht, dass sie meinetwegen ernsthaft besorgt sind, zumindest nicht so wie wegen einer Katze oder eines Fremden. Vielleicht halten sie mich sogar auch für eine Art Vogel, einen sehr merkwürdigen Vogel, oder für einen Zweig, der sich komisch benimmt. Vielleicht würden sie ja sogar auf mir ihr Nest bauen, wenn ich lange Zeit ganz still dasitzen würde: in meinem Schoß, in meinen Haaren oder in meinen Händen, die ich wölben und hochheben würde.
Dazu gibt es eine Geschichte:
Der heilige Kevin und die Amsel
V or langer Zeit lebte in Irland ein Heiliger namens Kevin. Eines Tages betete er, die Hände gen Himmel gestreckt (oder was er für den Himmel hielt), als eine Amsel angeflogen kam und ein Ei in seine Hände legte. Der heilige Kevin
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