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Mina (German Edition)

Mina (German Edition)

Titel: Mina (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Almond
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Mondschein, Wunder, Fliegen und Nonsens
    Ich heiße Mina und ich liebe die Nacht. Nachts, wenn der Rest der Welt schläft, scheint alles möglich zu sein. Im Haus ist es dunkel und still, aber wenn ich die Ohren spitze, kann ich das Poch! Poch! Poch! meines Herzens hören. Ich höre das Knarren und Knacken des Hauses. Ich höre meine Mama nebenan im Schlaf leise atmen.
    Ich schlüpfe aus dem Bett und setze mich an den Tisch vor dem Fenster. Ich ziehe die Vorhänge auf. Mitten im Himmel hängt der Vollmond. Er badet die Welt in seinem silbernen Licht. Er scheint auf die Falconer Road, auf die Häuser und die Straßen dahinter und auf die Berge und Moore in der Ferne. Er scheint in mein Zimmer und in mich hinein.
    Manche Leute sagen, dass man nicht ins Mondlicht schauen soll. Sie sagen, es macht einen verrückt.
    Ich schaue ins Mondlicht und ich lache.
    „Mach mich verrückt“, flüstere ich. „Los doch, mach Mina verrückt.“
    Ich lache noch einmal.
    Manche Leute behaupten, sie sei schon verrückt, denke ich.
    Ich sehe in die Nacht. Eulen und Fledermäuse flattern vor dem Mond hin und her. Irgendwo da draußen schleicht Wisper, die Katze, durch die Schatten.
    Ich schließe die Augen, und mir ist, als ob alle diese Geschöpfe in mir wären und dort fliegen und flattern und schleichen und schlüpfen. Fast so, als wäre ich selbst ein merkwürdiges Geschöpf, ein Mädchen namens Mina, und doch mehr als bloß ein Mädchen namens Mina.
    Auf dem Tisch im Mondlicht liegt ein leeres Notizbuch. Es liegt schon eine halbe Ewigkeit da. Ich sage immer, dass ich ein Tagebuch schreiben werde. Also fange ich endlich damit an, hier und jetzt. Ich schlage das Buch auf und schreibe meine ersten Worte hinein: Ich heiße Mina, und ich liebe die Nacht.
    Was soll ich noch schreiben? Ich kann doch nicht schreiben, dass erst das passiert ist und dann das und dann das und immer so weiter, bis ich vor Langeweile gestorben bin. Ich will mein Tagebuch wachsen lassen, genauso wie der menschliche Geist wächst, genauso wie ein Baum oder ein Tier wächst, genauso wie das Leben. Warum sollte ein Buch eine Geschichte in einer langweiligen geraden Linie erzählen?
    Worte sollten wandern und sich winden. Sie sollten wie Eulen fliegen und wie Fledermäuse flattern, sollten schleichen wie Katzen. Sie sollten murmeln und schreien und tanzen und singen.
    Manchmal sollten überhaupt keine Worte da sein.
    Nur Stille.
    Nur weißer Raum.
    Einige Seiten werden wie der Himmel sein, in dem ein einziger Vogel fliegt. Einige werden wie ein Himmel mit einem wirbelnden Schwarm Stare sein. Meine Sätze werden ein Gelege sein, eine Sammlung, ein Muster, ein Schwarm, eine Herde, ein Mosaik. Sie werden ein Zirkus sein, eine Menagerie, ein Baum, ein Nest.
    Denn in meinem Kopf gibt es keine Ordnung. Meine Gedanken bestehen nicht aus geraden Linien. In meinem Geist herrschen Durcheinander und Chaos. So sieht es in meinem Kopf aus, aber auch in vielen anderen Köpfen. Und wie alle Köpfe, wie jeder Kopf, der jemals existiert hat, und jeder Kopf, der jemals existieren wird, ist auch meiner ein Ort voller Wunder.

    In der Sankt-Beda-Schule – meiner alten Schule – erzählte mir die Lehrerin Mrs Scullery, dass ich nichts schreiben dürfte, bevor ich nicht genau wüsste, was ich schreiben will. So ein Unsinn!

    Ich wollte unbedingt das sein, was man gemeinhin als braves Mädchen bezeichnet. Ich habe es wirklich versucht. Eines schönen Morgens, als die Sonne durch das Fenster in den Klassenraum schien, tanzte draußen in der Luft eine schimmernde Wolke aus Fliegen. Ich hörte, wie Mrs Scullery uns sagte, wir sollten eine Geschichte schreiben. Natürlich müssten wir vorher einen Entwurf schreiben, meinte sie.
    Sie fragte uns, ob wir sie verstanden hätten.
    Wir sagten, das hätten wir.
    Also starrte ich nicht länger auf die Fliegen (was ich sehr gerne getan hätte!) und schrieb stattdessen meinen Entwurf. Meine Geschichte sollte den und den Titel haben, so und so beginnen, dann würde dies und jenes passieren und zum Schluss würde sich das Ganze in der und der Art und Weise auflösen. Ich schrieb alles fein säuberlich auf.
    Ich zeigte Mrs Scullery meinen Entwurf, und sie freute sich sehr darüber. Sie lächelte mich sogar an und sagte: „Gut gemacht, Mina. Das ist sehr gut, Liebes. Jetzt kannst du deine Geschichte schreiben.“
    Aber als ich anfing zu schreiben, wollte die Geschichte einfach nicht stillhalten, wollte nicht gehorchen. Die Worte tanzten wie Fliegen.

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