Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
Angelo.“
„Leider. In einer gottesfürchtigen Welt bräuchten wir nichts zu fürchten, außer Gott.“
„Sofern man Spaß daran hat, Angst zu seinem neuen Gott zu machen“, sagte Emma provozierend.
„Es ist nicht die Angst, sondern die Hoffnung auf ein Paradies, auf eine vollkommene Welt“, erklärte St. Angelo. „Unser Glauben formt die Gesetze für ihren irdischen Aufenthalt und belohnt uns mit einem Ticket in das Paradies.“
Emma zuckte mit den Schulter. „Vielleicht haben wir das Paradies schon längst gefunden.“
„Vielleicht“, sagte St. Angelo und streichelte Emmas Wange. „Ich werde die Gespräche mit dir vermissen.“
Emma lächelte. „Auch ich habe die Zeit mit dir genossen. Schade, dass du unbedingt verreisen musst. Wenn du die Zeit findest, schau doch ab und an in Sodom vorbei.“
„Ich werde mein Blick nicht auf Sodom richten, sondern auf dich“, sagte St. Angelo lächelnd.
Emma schloss die Augen und beugte sich nach vorne. Sie schürzte ihre Lippen und hoffte auf eine Antwort ihres geistlichen Bekannten, allerdings landete ihr Kuss in der Leere. St. Angelo hatte sich zurückgelehnt, um ihrem Kuss auszuweichen.
„Tut mir leid. Trotz all den Gerüchten, bin ich immer ein gottesfürchtiger Mann geblieben.“
„Verstehe. Deine Pflicht, nicht?“ Emma sah ihn enttäuscht an, versuchte sich dennoch ein leichtes Lächeln aufzuzwingen. „In einem anderen Leben oder in einer anderen Welt hätten wir eine Menge Spaß haben können.“
„In einem anderen Leben?“ St. Angelo schreckte auf. „Das klingt für mich eher gespenstig.“
Emma streckte ihre Arme aus. „Ist einem Mann der Kirche wenigstens eine Umarmung gestattet?“
„Bei einer Umarmung kann ich ein Auge zudrücken“, sagte St. Angelo und schloss Emma in seine Arme. Für den gottesfürchtigen Mann war es eine ungewohnt lange Umarmung. Entgegen allen Gerüchten hatte er sich stets an seine heiligen Pflicht gehalten, doch im Moment der Umarmung wunderte er sich, warum er dieser Annäherung zugesagt hatte oder was er überhaupt an ihr fand. Sexuelles Interesse vermag er an keiner Person zu empfinden, aber etwas hatte Emma. Wenn es seine religiösen Prinzipien es nicht komplett ausschließen würden, hätte er Gefallen an Emmas Theorie gefunden, dass sie sich in anderen Welt begegnen könnten oder längst begegnet sind.
Während der intensiven Umarmung öffnete er die Augen, als er glaubte die Annäherung hätte die für ihn legitime Grenze längst überschritten. Er konnte sich allerdings nicht von ihr lösen. Durch ihre schwarzen Haare hindurch beobachte er gespannt einen aufglühenden Funken, der harmlos durch die Luft wehte. Je länger er darauf starrte, umso größer kam ihm der Funken vor. Letztendlich flammte der Funken auf, als würden ihm zwei Schwingen aus Feuer wachsen. Die Flammenzungen formten sich zu einem riesigen Hals, weitere Funken sprossen an der Unterseite heraus wie Beine. Es galoppierte St. Angelo entgegen.
Blitzartig ließ St. Angelo Emma los, wollte wie vor Tagen in den kühlen Schnee springen, fing sich jedoch, bevor es auf den letzten Drücker erneut in einer Peinlichkeit ausartete. Der Grund: Das magische Feuerwesen war verschwunden.
„Alles in Ordnung?“, fragte Emma.
St. Angelo griff zu seinen Koffern. „Ich muss nun meine Reise anbrechen. Welche Wege ich beschreiten muss, weiß ich noch nicht, doch mein Ziel steht fest. Mein Ziel ist der Glaube, der Glaube, den ich in diesem Dorf zurückbringen werde.“
„Na dann“, sagte Emma erstaunt.
Er drehte sich um und verließ wortlos das Dorf.
Zurück blieb Emma mit dem Gefühl, einen derartigen Abschied bereits erlebt zu haben.
11
In jener kalten, doch erhellten Nacht fand auch Löckchen keinen Schlaf. Er begab sich mit seiner Flinte auf eine der Parkbänken und wurde währenddessen Zeuge von St. Angelos Abschied und seinem erschrockenen Gesichtsausdruck, kurz bevor er sich von der innigen Umarmung abgewandt hatte. Gerne hätte Löckchen sich persönlich von St. Angelo verabschiedet, doch kaum hatte der engagierte Prediger Emma den Rücken gekehrt, war er bereits aus dem Dorf verschwunden. Es sollte kein Abschied für immer sein, dachte Löckchen, weswegen er keine großen Anstalten machte, St. Angelo aufzuhalten. Stattdessen blieb er mit seiner Waffe sitzen und versuchte, für seine Freunde so gut wie möglich da zu sein. Allein die bloße Existenz des Kartenspielers schürte das Feuer zwischen Willi und Zack, für das
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