Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
die Bedrohung von Lücs Mutter wie Benzin wirkte. Löckchen hatte in dem letzten halben Jahr immer mehr Einfluss in der Gruppe gewonnen, allerdings reichte es nicht aus, um die zwei Platzhirsche zu besänftigen. Das einzige womit er ihnen helfen konnte, war seine Bereitschaft zu präsentieren, sei es nur indem er mit seiner Flinte Wache schob.
Wie es der Zufall so wollte, kreuzte Rebecca seinen Weg, die in dieser Situation die einzige war, die ihn von seiner selbst aufgebundenen Pflicht ablenken konnte.
Er staunte nicht schlecht, als er zum ersten Mal den Eindruck hatte, sie hätte ihm aufgelauert statt umgekehrt.
„Hey du“, sagte sie. „Was machst du denn zu so später Stunde hier?“
„Hey“, erwiderte er. „Ich schaue nur nach dem Rechten. Reine Vorsichtsmaßnahme.“
„Spielst gerne den Helden, was?“, sagte Rebecca lächelnd und deutete auf den Platz neben ihn. „Wartest du auf jemanden?“
„Oh nein, nein. Frederick liegen die letzten Stunden noch in den Knochen. Denke er wird etwas Schnaps brauchen, um sich wieder zu beruhigen.“ Er wartete bis sie sich neben ihn saß, erst dann fragte er, was sie denn zu so später Stunde ins Dorf verleitete.
„Meine Arbeit“, antwortete sie. „Ich muss doch jeden Morgen so früh anfangen, deswegen hat es mich gewundert, dich anzutreffen. Für gewöhnlich trifft man um diese Uhrzeit hier keine Menschenseele. Warum auch? Die anderen dürfen ja ausschlafen.“
„Die letzte Nacht war auch nicht sonderlich gewöhnlich“, sagte Löckchen.
„Der halbe Wald fliegt in die Luft und keine drei Stunden später verlässt der letzte Geistliche unser Dorf“, rekapitulierte Rebecca. „Ich werde ihn nicht sonderlich vermissen.“
„Er war manchmal ein Stinkstiefel, aber ich habe ihm zu verdanken, dass ich überhaupt hier bin.“
„Das wusste ich ja gar nicht“, sagte Rebecca. „Wenn ich ehrlich bin, weiß ich kaum etwas von dir.“
„So geht es den meisten“, schmunzelte Löckchen. „Was auch nicht sonderlich schlimm ist. Meine Vergangenheit ist nicht wirklich interessant genug, als dass ich große Geschichten darüber erzählen kann.“ Er sah auf seine Flinte. „Wenn es das Schicksal zulässt, wird sich das in der Zukunft ändern. Es gibt noch so viel zu erleben.“
„Da haben du und deine Flinte noch viel vor euch.“ Rebecca lächelte. „Ich hoffe, ihr werdet weiterhin arme Mädchen und Halbeinhörner vor Zigeunerriesen beschützen.“
„Wir werden unser Bestes geben“, sagte Löckchen grinsend.
„Wo wir beim Thema sind. Ich konnte mich noch nicht wirklich dafür bedanken.“ Sie druckste herum und versuchte Löckchen nicht anzusehen. „Ich war so geschockt, als du auf einmal geschossen hattest. Es war wirklich ein widerlicher Anblick, wie der arme Kerl... Aber wärst du nicht eingeschritten, weiß ich nicht, was mit uns passiert wäre.“
„Keine Ursache“, unterbrach Löckchen. „Es gehört zu unseren Aufgaben einzuschreiten, bevor jemand erst um Hilfe schreien muss. Dass die Zigeuner überhaupt einen Aufstand starten konnten, haben wir uns zuzuschreiben. Wären wir nicht im Urlaub gewesen, hätten wir den Aufstand im Keim ersticken können.“
„Gib dir doch nicht die Schuld, du kamst genau rechtzeitig. Es sah nicht sehr heldenhaft aus, aber irgendwie war ich froh, dass du da warst. Beim nächsten Mal versuche es auf eine Methode, die nicht derart blutig ist.“
„Wenn es nach mir ginge, fließe nie Blut“, sagte Löckchen nachdenklich. „Allerdings würde selbst bei einer pazifistischeren Politik Blut fließen. So lange sich zwei Parteien streiten, wird die unterlegenere zu Gewalt greifen, sobald keine Alternative mehr in Sicht ist. Die einen kämpfen mit Waffen, die anderen mit Druckmitteln, Papieren, Geld, Lizenzen oder auch mit Wörtern und Gefühlen. Alles führt dazu, die Gegenseite zu erniedrigen, zu unterdrücken, zu zerstören oder auch einfach nur um sie zu besänftigen. So lange wir in Grenzen denken, werden sich immer wieder Parteien bilden, die gegeneinander kämpfen.“
„Klingt nicht sehr optimistisch“, stellte Rebecca fest. „Was fasziniert dich daran? Warum hast du dich so jung dafür entschieden zu kämpfen?“
„Seit ich denken kann, wurde für mich entschieden. Ich wurde in eine Familie geboren, die mich nicht wollte. St. Angelo brachte mich in ein Dorf, das mich nicht wollte. Ich glaubte in einer Welt zu sein, die mich nicht wollte. Das Schicksal stupste mich von einem Ort zum nächsten, ohne auch
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