Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
hast.“ Willi traute sich kaum, in ihre Augen zu sehen. „Du hattest Grund genug, mir nicht das Leben zu retten und du tatest es trotzdem.“
„Rede doch keinen Quatsch“, zischte Lüc. „Zack wollte dich umbringen und wie ich dich richtig einschätzte, wolltest du kein Blut vergießen. Glaube, ich hatte doch den richtigen Riecher bewiesen.“
„Woher hattest du diese Blindgänger?“
„Eine lange Geschichte. Genau genommen wusste ich anfangs selbst nicht, dass es Blindgänger waren. Ich sollte sie anfangs dir zuschieben, doch ich habe drauf gehofft, dass du deinen Vorteil im Duell nicht ausnutzen wirst.“ Ihre traurigen blauen Augen sahen Willi an. „Zack wird mich dafür hassen, aber es war ein notwendiges Übel, damit mir letztendlich euch beide bleiben.“
„Ich stehe in deiner Schuld und ich habe vor, es so schnell wie möglich wieder gut zu machen.“ Er deutete auf den weiten, zugefrorenen Fluss.
„Ist er da draußen?“
„Wir haben heute Nacht Fetzen seines Mantels gefunden. Elvis konnte ihn in dieser Richtung wittern. Der gute Hahn hatte bislang auch immer den richtigen Riecher bewiesen.“
„Pass auf dich auf“, sagte sie und klopfte ihm auf die Schulter.
„Ich versuche es.“
Er nahm Anlauf und sprang vom Stegende auf die Eisfläche. Elegant landete er auf dem Bauch und rutschte mit Antrieb über die dünne Eisschicht.
4
Der Kartenspieler war geblendet vom Licht.
Das warme Gefühl, das ihm das Sonnenlicht gab, verstärkte sich als sich die Lichtstrahlen auf einen Punkt konzentrierten. Die Umgebung erkannte er in den kalten Farben wieder, trotzdem waren die Lichtstrahlen allgegenwärtig und intensiver denn je. Vor ihm erschien seine geliebte Selin. Die Schneeflocken sammelten sich auf ihren goldblonden Haaren. Ihre Haut trug immer noch ein gesundes Braun, frei von den Verletzungen, die sie bei dem fatalen Zusammenstoß mit Scars Auto erlitt.
Ihr Auftreten nahm er wie ein Deja-vu wahr, denn die Szene hatte er mehrmals gesehen, nachdem er Bekanntschaft mit Mantis Defibrillator gemacht hatte. Er erkannte sie weit vor den schneebehangene Tannen im Hintergrund. Der Unterschied war, dass ihm diesmal nicht nur ein Moment mir ihr geschenkt wurde, kein Standbild, das für ihn wie das schönste Gemälde der Welt wirkte. Sie konnte sich bewegen und das Bild veränderte sich in jedem Augenblick, als wäre sie real.
Als sie vor ihn trat, bemerkte er den tragenden Unterschied zu dem Standbild. Ihr Lächeln war nach wie vor präsent, doch ihm entging nicht, wie sie versuchte ihre Enttäuschung zu verbergen.
„Es ist immer noch Winter in dir, Jack“, sagte sie.
Der Kartenspieler richtete sich zittrig wieder auf. Ungläubig berührte er sie erst vorsichtig an ihrem Oberarm, bis er sie vertraut an sich drückte. Sie erwiderte die Umarmung nicht so herzlich wie er, was seine Laune im Angesicht von Selins Erscheinen nicht drücken konnte.
„Du hast dich wieder verlaufen“, sagte sie.
„Ich weiß“, wimmerte er und drückte sie näher an sich heran.
Sie strich mit ihren zarten Fingern über seinen Nacken. Sie wiederholte die Worte, die sie ihm einst in der verlassenen Gasse sagte. „So lange wir Böses tun, gebären wir automatisch Finsternis. Doch tun wir Gutes, werden wir mit Licht beschenkt.“ Sie sah ihn an. „Du hast dein Herz im Rachekreislauf verloren, Jack.“
„Ich tat es für die Gerechtigkeit“, sagte der Kartenspieler. „Warum haben sie mir dich genommen? Warum hat es dich und nicht mich getroffen? Ich zweifelte an dieser Welt und sehnte mich all die Zeit nur nach einer Welt, die in diesem einen Punkt besser wäre. Eine Welt in der du weiterleben könntest, auch wenn in dieser Welt mein Leben bereits erloschen wäre.“
„Es ist nicht deine Aufgabe für Gerechtigkeit zu sorgen. Die Waage zwischen Gut und Böse wird ständig ausgeglichen sein. Deine Aufgabe sollte es sein, dich auf die richtige Seite der Waage zu stellen.“
„Ich dachte, ich täte Gutes, Selin.“ Er sah beschämt unter sich. „Es war keine Rache.“
„War es nicht?“
Eine dritte Stimme hallte über den verlassenen Fluss. Noch während er Selin an sich drückte, kam zwei Meter hinter seiner Liebsten seine verstorbene Schwester Olivia zum Vorschein.
„Bruderherz, warum hast du sonst zugesehen wie unsere Eltern starben?“ Olivia strich ihr blondes Haar zurück und grinste frech. „Und warum hast du bitteschön auch meinen Tod abgesegnet? Warum hast du mich nicht vor Willis Falle
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