Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
in den Wald hinein.
„Weil wir Zigeuuuuner siiiiind.
Weil wir Zigeuuuuuner sind!“
Die einen fingen an zu klatschen, die anderen fielen sich in die Arme. Gemeinsam haben sie ihren Freunden einen würdigen Abschied nach Zigeunermanier bereitet.
Merlin kämpfte sich durch die Massenumarmungen hindurch in sein Zelt. Auch er wollte die Trauerzeremonie trauernd verbringen, aber auf seine Weise. Extra zu diesem Anlass hatte er sich schon vor Stunden seine Zaubersuppe aufgestellt und erwartete sein Zaubermittel voller Vorfreude. Zu seiner Überraschung war der Topf auf der Herdplatte vorzufinden, allerdings waren Teller und Besteck nicht mehr aufzufinden. Er könnte schwören ein guter Teil seiner Zaubersuppe wäre aus seinem Topf verschwunden, doch an diesem Tag verschmerzte er den Verlust eines Tellers Zaubersuppe. Grund genug hätten seine Zigeunerfreunde gerade zu diesem Anlass, die verbotene Frucht zu kosten. Er füllte seinen Teller mit Zaubersuppe, setzte sich in seinen Campingstuhl und schlürfte freudig seine Suppe.
Nach einer Weile erschienen ihm wieder seine verstorbenen Freunde. Darunter auch Friedjof, der mit verschränkten Armen hinter der Gruppe stand und Merlin böse Blicke zuwarf. Merlin dagegen hielt gelassen und lächelnd Augenkontakt mit seinem verstorbenen Freund. Die nächsten Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre würde Friedjof ihn mit seiner Wut bestrafen, doch eines Tages würde ihm Friedjof lächelnd zunicken. Spätestens dann, wenn an diesem Tag die Zigeuner immer noch in Frieden miteinander leben konnten.
2
Südlich von Blutwäldchen erstreckte sich der zugefrorene Fluss. Über der Eisfläche schlürfte eine dunkle Gestalt seinen beschwerlichen Weg ins Nirgendwo. Es war der verwunderte Kartenspieler, der schwerfällig über die Eisschicht humpelte. Willis Schuss hatte ihm in dieser Nacht den Bauch durchbohrt und eine schmerzende Wunde hinterlassen, die er notdürftig mit abgeschnittenen Fetzen seines Mantels verband. Er flüchtete durch die Flammen hindurch in den Wald, bis er es zum Fluss schaffte. Aufgrund der Strapazen hatte sich seine Wunde weiterhin entzündet und einen unangenehmen Fieberwahn ausgelöst. Trotz der eisigen Kälte, lief ihm der Schweiß die Stirn hinunter. Sein Blut fühlte sich an wie brennendes Benzin.
Mutterseelenallein war er auf der Mitte des Sees angekommen, umrungen von Unmengen an Eis, weit entfernt von den Ufern mit den abgestorbenen Bäumen. Die einzige Zivilisationen, die er noch erreichen konnte, waren ihm feindlich gesinnt. Die Zeichen standen wahrlich schlecht für den Kartenspieler, doch er hätte sich keinen so grausamen Namen gemacht, wenn er sich nicht in den ausweglosesten Situationen zu helfen wüsste. Bei seiner Flucht konnte er unbemerkt an der Zigeunergemeinde vorbeikommen und Merlin, mit dem er bereits Bekanntschaft gemacht hatte, einen Teller Zaubersuppe stehlen. Die mysteriöse Flüssigkeit sollte seine physischen Schmerzen ausreichend dämmen, sodass er schnellen Schrittes die nächste Stadt erreichen konnte. Von den Nebenwirkungen wusste er zwar Bescheid, war jedoch gerne bereit diese in Kauf zu nehmen, sollte die Droge seine Schmerzen lindern.
Mit zittrigen Händen schlürfte er das rote Gebräu. Er ließ den süßen, tomatigen Geschmack auf der Zunge zergehen. Die leckere Suppe lenkte ihn zumindest im ersten Moment von den schrecklichen Schmerzen ab, die wahre Linderung sollte weitere Zeit benötigen. Den geleerten Teller ließ er zu Boden fallen. Mit dem befreienden Gefühl, die Schmerzen eingeschränkt zu haben, ging er weiter seinen Weg. Die ersten Meter gingen ihm viel geschmeidiger von den Knochen, doch allmählich entfaltete sich die wahre Macht der Zaubersuppe.
Die Farben vernahm er plötzlich um ein vielfaches farbenfroher und knalliger als zuvor. Die glitzernden Eiskristalle funkelten aufgrund des Sonnenlichts, das sich auf jedem Zentimeter der Eisfläche reflektierte.
Der Kartenspieler hielt sich die Hand vor die Augen, wurde allerdings von einer Flutwelle aus Licht überwältigt. Wohin er auch sah, er war umgeben von Licht.
3
Willi schritt auf Blutwäldchens historischen Steg zu. Der Holzsteg an Blutwäldchens Südseite hatte die schlimmste Katastrophe des Dorfes überstanden und sollte auch die nächste Katastrophe überstehen, hofften die Dorfbewohner zumindest.
Löckchen, Frederick und auch Elvis erwarteten Willi bereits.
„Wir haben alles vorbereitet“, sagte Löckchen.
„Chef!“,
Weitere Kostenlose Bücher