Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
Vom Netzwerk:
Wärmebildgeber explodierte ein greller Blitz, und der Feuerschweif einer Rakete schoss auf das Haus zu, sprengte die Tür weg und tötete mehrere Gardisten in der monumentalen Eingangshalle; Qusai hörte über Funk ihre ersterbenden Schreie.
    Er erschoss den Raketenschützen, tauchte ab, zählte bis drei, tauchte wieder auf und schwenkte nach links, wo ein weiterer Kommandokämpfer auf einem Bein kniete. Diesen zweiten Raketenschützen bekam Qusai nicht mehr zu sehen; alles, was er sah, war die Rakete, die in seinem Zielfernrohr als ein von Feuer umgebener schwarzer Kreis erschien, der sehr schnell immer größer wurde.
    Schon mehrmals hatten die zwei Rep-Gardisten im ehemaligen Gebetszimmer, während sie dem Lärm des Gefechts lauschten, Blicke gewechselt. Jetzt, wo der Raketenbeschuss den Palast erschütterte, gelangten sie zu einem wortlosen Beschluss.
    »Hey!«, sagte Tariq Aziz. »Wo geht ihr hin? Saddam hat euch befohlen, hierzubleiben!« Doch die beiden sahen sich nicht einmal um, bevor sie auf den Korridor flüchteten. Aziz marschierte im Raum auf und ab und gelangte allmählich zu einer eigenen Entscheidung. Er wandte sich zur Tür. Aber bevor er entkommen konnte, platzte eine bewaffnete Gruppe herein.
    »Hallo, Herr Aziz«, sagte Amal. »Na, ein bisschen von der Front berichten?«
    Mustafa und Captain Lawrence drängten sich am zu Tode erschrockenen Zeitungsherausgeber vorbei und rannten zum Dschinn. Die Eisenklammern, die ihn am Stuhl festhielten, waren durch moderne stählerne Vorhängeschlösser gesichert. »Haben Sie die Schlüssel dazu?«, fragte Mustafa Aziz.
    »Was?«, sagte Tariq Aziz. »Ganz bestimmt nicht! Ich habe damit nichts zu tun! Absolut nichts!«
    »Die werden wir abschlagen müssen«, sagte Lawrence.
    »Nicht nötig«, sagte der Dschinn. »Dazu ist keine Zeit.«
    Draußen gellte eine entsetzte Stimme durch den Korridor: GOTT IST GROSS! … GOTT IST GROSS! … GOTT IST GROSS!« Es ertönte ein markerschütternder Schrei, der wie abgehackt verstummte.
    »O Gott, lassen Sie mich hier raus!«, schrie Tariq Aziz. Ohne sich um das Gewehr zu kümmern, das Amal auf ihn gerichtet hatte, flitzte er durch die offene Tür.
    »Lass ihn gehen«, sagte Mustafa, bevor Amal ihm hinterherlaufen konnte. »Samir, mach die Tür zu und schließ ab.«
    Der Dschinn bedachte Captain Lawrence mit einem verschmitzten Lächeln. »Na? Alles wunschgemäß erfüllt?«
    »Du kennst die Antwort doch schon«, sagte Lawrence. »Ich habe meine Lektion gelernt. Ich bin bereit, den Wunsch zurückzunehmen, sollte es das sein, was du anbietest.«
    Mustafa, der Samir dabei zugesehen hatte, wie er die Tür verriegelte, drehte sich abrupt herum. »Moment mal!«, sagte er.
    »Ja«, sagte Amal. »Nichts überstürzen.«
    »Ernsthaft, Mann«, sagte Samir. »Das will Osama bin Laden doch nur.«
    »Vielleicht will auch Gott es so«, gab Lawrence zu bedenken. »Dass alles wieder so wird, wie es war. Wie es von Natur aus sein sollte.«
    »Sein sollte? «, sagte Mustafa. »Und Sie behaupten, Sie hätten Ihre Lektion gelernt, ja?«
    Der Dschinn amüsierte sich königlich. »Arabien im Naturzustand, von den Träumen des Abendlandes unberührt. Also, das wäre eine alternative Wirklichkeit … Leider kann ich damit nicht dienen. Die Tür ist verschlossen, es gibt kein Zurück.«
    »Dann eben nicht«, sagte Lawrence. Er setzte den Kolben seiner Schrotflinte gegen eines der Vorhängeschlösser. »Gleich bist du die Dinger los …«
    Aber der Dschinn schüttelte den Kopf. »Ich hab’s euch doch schon gesagt: Es ist zu spät.«
    Sand flog durch ein klaffendes Loch in der Wand eines herrschaftlichen Schlafzimmers und bestäubte die von Raketenfragmenten zerfetzten Leichen von Gardisten. Das Bettzeug war ebenfalls von Splittern zerrissen worden, und der Bezugsstoff der Matratze brannte, auch wenn der Sand angefangen hatte, die Flammen zu ersticken.
    Der Deckel einer großen Hartholztruhe, die gegenüber dem Bett stand, öffnete sich knarrend, und Saddam Hussein lugte heraus. Als er sich vergewissert hatte, dass keine weiteren im Anflug befindlichen Raketen zu hören waren,klappte er den Deckel vollends auf. Halb kroch er, halb wälzte er sich, ächzend wegen seines Bandscheibenvorfalls, aus der Truhe, riss einem der toten Gardisten das Gewehr aus der Hand und stemmte sich damit wie mit einer Krücke auf die Beine.
    Er humpelte auf den Korridor, humpelte in den Speisesaal, in dem Qusai postiert gewesen war. Das Bild, das sich ihm durch die

Weitere Kostenlose Bücher