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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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ihrer nächtlichen Sitzungen erfahren hatte und wohin man, wie er vermutete, den Dschinn bringen würde. Aber sie waren noch immer im Erdgeschoss, auf der Suche nach einer unbewachten Treppe, als die Hölle losgebrochen war. Jetzt hielten sie sich in einem Zimmer auf, das direkt vom Saal mit der Nebukadnezar-Statue abging. Es war das Nebenzimmer, in dem Mustafa den englischen Jungen gesehen hatte; er konnte noch immer einige Spielzeugautos und -laster unter den Möbeln erkennen.
    »Aber Sie erinnern sich«, sagte Mustafa, bemüht, leise zu sprechen. »Warum? Weil Sie derjenige sind, der sich das alles gewünscht hat?«
    »Das frage ich mich immer und immer wieder«, sagte Captain Lawrence. »An Tagen, an denen ich zum Selbstmitleid neige, glaube ich, dass Gott mich damit straft. Meistens aber sage ich mir, dass ich es so gewollt habe. Was wäre schließlich der Witz dabei, die Welt zu verändern, wenn man sich nicht erinnern könnte, wie sie vorher war?«
    »Und Saddam? Wie sind Sie in den Genuss seiner Gastfreundschaft gelangt?«
    »Nachdem ich begriffen hatte, dass ich nicht mehr in die Heimat zurückkonnte – dass es nichts mehr gab, wohin ich hätte zurückkehren können –, sagte ich mir, dass ich mich dann ebenso gut nützlich machen könnte.«
    »Sie haben versucht, ihn zu töten?«
    Der Captain nickte. »Schien nur recht und billig zu sein, wo er doch schon als tot gilt. Aber in jener Nacht hatte Qusai das Kommando über die Garde, und sie haben mich beim Hereinkommen erwischt. Als Saddam kapierte, was ich war, beschloss er, mich in seine Sammlung aufzunehmen.«
    Ein Trupp Rep-Gardisten kam durch Nebukadnezars Saal gerannt und stürmte den Korridor entlang zum Haupteingang des Hauses. Die Schüsse schienen hauptsächlich vom vorderen Teil des Anwesens zu kommen. Mustafa gab zwar die Hoffnung nicht auf, dass sich die Angreifer als ABE-Agenten zu erkennen geben würden, aber er wusste, dass sie unmöglich schon so früh dort eingetroffen sein konnten.
    »Und was ist mit Ihnen?«, sagte der Captain. »Sie sind offenbar wieder Bulle. Aber welche Sorte?«
    »Heimatschutz.«
    Wieder ein Nicken. »Bundespolizei – über Saddam. Dann hat sich Ihr Wunsch also auch erfüllt.«
    »Nein«, sagte Mustafa entschieden. »Hat er nicht.« Aber einen Augenblick später fügte er hinzu: »Aber es ist kein übles Leben. Und die meisten Probleme damit habe ich mir selbst eingebrockt, niemand sonst.«
    Plötzlich gingen im ganzen Haus die Lichter aus. Im Nebenzimmer wurde es dunkel, aber durch den apokalyptischen orangefarbenen Schein, der durch die Fenster in der Kuppel hereindrang, erhielt Nebukadnezars Saal weiterhin ein trübes Licht.
    »Schön«, sagte Amal, die durch den Bogendurchgang hinausspähte. »Wenn wir uns überhaupt rühren wollen, dann würde ich sagen: jetzt.«
    »Geh geradeaus, zu diesem anderen Durchgang dort drüben«, sagte Mustafa, den Finger ausgestreckt. »Ich erinnere mich, dass ich auf dem Weg zu Saddams Arbeitszimmer an einer Treppe vorbeigekommen bin.«
    Sie hatten den Kuppelsaal halb durchquert, als genau aus dem Bogendurchgang, den sie erreichen wollten, Udai Hussein und ein Trupp Gardisten auftauchten. Beide Seiten blieben abrupt stehen und rissen einen Augenblick lang nur die Augen auf. Dann machte einer der Gardisten Anstalten, sein Sturmgewehr zu heben, und Amal eröffnete mit ihrem das Feuer und tötete diesen Gardisten und den Mann hinter ihm. Und dann schossen alle und rannten – stürzten in die nächstbeste Deckung, die der Saal bot. Udai und die zwei verbleibenden Gardisten landeten auf der einen Seite der Nebukadnezar-Statue; Amal, Mustafa, Samir und Captain Lawrence auf der entgegengesetzten.
    Amal setzte sich mit dem Rücken gegen den Sockel der Statue und steckte ein neues Magazin in ihr Gewehr. »Udai Hussein!«, rief sie. »Wir sind Bundesagenten! Werfen Sie Ihre Waffen hin und nehmen Sie die Hände hoch!«
    Udai lachte. »Bist du das, Amal bint Shamal? Wir sollen uns ergeben? Schön, komm rüber und zeig uns deinen Arsch, und dann überlegen wir es uns vielleicht!«
    Captain Lawrence erhob sich in die Hocke und bereitete sich darauf vor, um Nebukadnezar herumzustürmen. Doch Mustafa, der gerade zur Statue aufsah, erinnerte sich plötzlich an etwas; er griff nach dem Unterarm des Captains, um ihn zurückzuhalten, und lehnte sich dann zu Amal und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
    »Bint Shamal!«, krähte Udai. »Tochter eines toten Dummkopfes, der sich einbildete, er könnte sich

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