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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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Bergen türmen und der Morgen ebenso in Düsterkeit
gehüllt ist wie der Abend, wenn im Himmelszelt einen Augenblick lang
beunruhigendes Schweigen herrscht und dann plötzlich ein Windstoß die Leere
durchbricht wie ein Warnruf oder wie das Räuspern des Predigers in der Moschee
vor der Freitagspredigt. Dann neigt sich ein Zweig, oder ein Ästchen bricht.
Und danach jagen die Windstöße einander in trunkenem, wahnwitzigem Rausch, ihr
pfeifendes Dröhnen dringt bis in ferne Horizonte. Das Meer tobt, und der Schaum
der Wellen gischtet bis an den Rand der Uferstraßen. Donner poltert und bringt
brodelnde Düfte aus einer fernen, unbekannten Welt. Funkelnde Blitze züngeln
den Himmel entlang, blenden die Blicke und elektrisieren die Herzen. Regen
strömt herab bis zur Raserei und schließt Himmel und Erde in einer nassen
Umarmung zusammen. Dann vermischen sich die Elemente des Seins, wogen
durcheinander, prallen aufeinander, als sollte der Schöpfungsakt von neuem
beginnen.
    Erst danach wird der Himmel wieder klar
und rein, reißen die Dunkelheiten auf, zeigt Alexandria ein frisch gewaschenes
Gesicht, leuchtendes Grün, feucht glänzende Straßen. Dann weht eine erfrischende
Brise, kommen wärmende Sonnenstrahlen, folgt ein sanftes, zärtliches Erwachen.
    Ich erlebe den Sturm vom Fenster aus
mit, um mich der Frische danach erfreuen zu können. Irgend etwas sagt mir, daß
dieses Drama von einem Mythos erzählt, der in meinem Innersten begraben liegt,
daß es einen Weg vorzeichnet dessen Ziel mir noch unbekannt ist, oder in leisem
Gemurmel, das mir bis jetzt unverständlich bleibt, eine Frist setzt.
    Die große Standuhr schlägt, und ich
halte mir die Ohren zu, um nicht hören zu müssen, wie spät es ist. Dann dringen
fremde Stimmen zu mir, hartnäckig und laut. Ist das eine Auseinandersetzung?
Ein Streit? Was in dieser Pension alles passiert, würde allmählich für einen
ganzen Kontinent ausreichen! Mein Herz sagt mir, daß es wieder einmal um Zuchra
gehen muß.
    Eine Tür wird heftig geöffnet, und nun
sind die Stimmen ganz deutlich. Es sind die von Zuchra und Sarhan. Ich springe
zur Tür und öffne sie. Sie stehen einander im Salon gegenüber wie zwei
Kampfhähne, und Madame versucht, zwischen ihnen zu vermitteln.
    Sarhan schreit, außer sich vor Wut:
»Ich bin frei! Ich heirate, wen ich will!
    Alejja werde ich heiraten!«
    Zuchra sprüht vor Zorn. Es tut ihr
sichtlich weh, daß er mit ihr nur gespielt hat, daß ihre Hoffnungen zerstört sind,
daß er sie verlassen hat und sie die Verliererin in diesem Spiel ist. So hat er
also erreicht, was er von ihr wollte, und hat nun ein neues Ziel vor Augen! Ich
gehe auf ihn zu, fasse ihn an der Hand und ziehe ihn in mein Zimmer. Sein
Schlafanzug ist an mehreren Stellen zerrissen. Seine Lippen bluten.
    Er schreit: »Sie ist außer Rand und
Band, und bösartig ist sie auch!«
    Ich bitte ihn, sich zu beruhigen, aber
er wird nur noch wütender und stößt hervor: »Stellen Sie sich vor, das gnädige
Fräulein wünscht mich zu heiraten!«
    Noch einmal rate ich ihm zur Ruhe, aber
er brüllt: »Sie ist eine Dirne und außerdem total verrückt geworden!«
    Da er mir auf die Nerven geht, frage
ich ihn: »Und warum wollte sie Sie heiraten?«
    »Fragen Sie sie doch am besten selbst!«
    »Nein, ich frage Sie!«
    Zum ersten Mal sieht er mich jetzt
aufmerksam an. Ich insistiere weiter:
    »Sie muß doch einen Grund für diese
Forderung haben!«
    Die Aufmerksamkeit in seinen Augen wird
zur Vorsicht. »Was wollen Sie damit sagen?« fragt er mich.
    Wütend entgegne ich: »Nichts weiter,
als daß Sie ein Mistkerl sind!«
    »Ustas!«
    Ich spucke ihm ins Gesicht und rufe:
»Das verdienen Sie und jeder andere Mistkerl und Betrüger!«
    Wir geraten sofort heftig aneinander,
doch Madame stürzt ins Zimmer, bevor unsere Schlägerei gefährliche Ausmaße
annehmen kann. Sie stellt sich zwischen uns und versucht zu begütigen: »Aber
ich bitte Sie! Ich habe das alles satt, meine Herren! Tragen Sie Ihre
Streitigkeiten außerhalb meines Hauses aus, nicht bei mir!«
    Sie zieht ihn aus meinem Zimmer.
    Mit sorgenvollem Herzen,
befangen in düsteren, verworrenen Gedanken, gehe ich zum Rundfunkgebäude. Als
ich in mein Zimmer komme, sehe ich eine Frau vor meinem Schreibtisch sitzen.
Nein, nicht irgendeine Frau, es ist Durrejja! Ja, sie! Der Schreck lahmt mir
die Zunge. Einige Sekunden lang bleibe ich wie erstarrt vor ihr stehen. Dann
verfliegt die Düsterkeit in meinem Kopf, ich rufe: »Durrejja!«
    Sie

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