Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
Vom Netzwerk:
Betrüger oder Verräter!«
    »Was heißt, ich sei kein Betrüger oder
Verräter? Ich bin schwach, und daß ich mich zu sehr von meinem Bruder habe
lenken lassen, war sicher auch ein Zeichen meiner Schwäche. Von allen
Schwächlingen bin ich bestimmt der, der am leichtesten zu einem Betrüger werden
kann!«
    Sie nimmt meine Hand in ihre und
bittet: »Quäl dich doch nicht so! Quäl uns beide nicht!«
    Ich sage mir, daß ihr offensichtlich
nicht bewußt ist, daß auch sie zu all dem gehört, was mich quält.
    Als Madame zu mir ins
Zimmer kommt, bin ich mir sicher, daß es Neuigkeiten gibt. Sie flattert, wenn
sie Neues mit sich herumträgt, wie eine Motte überall umher. Schön! Haben Sie
schon gehört, Monsieur Mansur? Machmud Abul-Abbas, der Zeitungsverkäufer, hat
um Zuchras Hand angehalten, aber sie hat ihm einen Korb gegeben!
    »Immer dieselben Verrücktheiten,
Monsieur Mansur!«
    »Sie liebt ihn eben nicht, Madame!«
entgegne ich ihr rundheraus.
    »Aber ihr Herz führt sie in die Irre!«
Sie blinzelt mir zu, und ich denke: Wehe, wenn Sarhan sie enttäuscht!
    Plötzlich kommt mir ein seltsamer
Einfall oder eher so etwas wie ein abwegiger Wunsch, nämlich daß er sie
enttäuschen möge, damit ich ihm dann seine gerechte Strafe erteilen könnte.
    Sie beugt sich zu mir und flüstert:
»Raten Sie ihr doch zu! Sie wird das tun, was Sie für gut halten. Sie hat Sie
gern!«
    Dieses Gerede vom Gernhaben erbost
mich, und ich muß mir alle Mühe geben, meinen Ärger zu unterdrücken.
    »Eigentlich stammt sie
aus einer guten Familie, schon fast aristokratisch.
    Aber sie ist natürlich keine Heilige. Diese Art der
Tätigkeit hat ihre unvermeidlichen Begleitumstände, wie du sicher weißt. Wenn
ich nicht gewesen wäre, so hätte man ihre Wohnung längst geräumt und
ihren Besitz konfisziert.«
     
    Der Wind peitscht den
Regen gegen die Fenster. Das Brüllen der Wogen wühlt mich auf bis ins Innerste.
Ich merke nicht, daß Zuchra eingetreten ist, bis sie das Tablett mit dem Tee
auf den Tisch vor mich hinstellt. Froh begrüße ich sie, denn ich hoffe, sie
wird mich aus meinen düsteren Gedanken reißen. Wir lächeln uns gegenseitig zu.
Ich biete ihr ein Stückchen Kuchen an und sage lachend: »Da hast du nun schon
dem zweiten Verehrer einen Korb gegeben!«
    Sie schaut mich unsicher an, und ich
fahre fort: »Willst du meine Meinung wissen, Zuchra? Ich finde Machmud besser
als Sarhan!«
    »Weil Sie ihn nicht kennen!« fällt sie
mir ins Wort.
    »Und du, kennst du denn den anderen so,
wie es sein müßte?«
    »Niemand will mir glauben, daß ich eine
ebenbürtige Partnerin für ihn bin!« entgegnet sie heftig.
    »Sag das denen, die nicht deine Freunde
sind!«
    »Machmud macht keinen Unterschied zwischen
einer Frau und einer Sandale!«
    Ich muß lachen, und sie erzählt mir
eine Geschichte über sein Verhalten und seine Ansichten.
    »Du bist doch aber gewitzt genug, ihm
darauf die richtige Antwort zu verpassen!« rede ich ihr gut zu. Aber sie liebt
nun einmal Sarhan und wird ihn lieben, bis er sie heiratet oder im Stich läßt.
    »Zuchra, ich respektiere deine Meinung
und alles, was du tust. Im übrigen würde ich dir wirklich gern bald zur
Verlobung gratulieren.«
    Ich habe dringende und
eilige Angelegenheiten zu erledigen und fahre deswegen diesmal nicht nach
Kairo. Durrejja ruft mich an, damit ich sie in ihrer verzehrenden Einsamkeit
tröste.
    Als wir uns in der Woche darauf
treffen, sagt sie nervös: »Jetzt ist die Reihe an mir, dir hinterherzulaufen.«
    Nachdem wir uns in ein Chambre separee
im Florida zurückgezogen haben, küsse ich ihr die Hand. Ich erkläre ihr, warum
ich sie in der vorhergehenden Woche nicht habe besuchen können. Sie ist
unruhig, nervös und raucht stark. Mir geht es nicht viel besser.
    »Ich habe mich in der Arbeit
vergraben«, erkläre ich ihr, »aber ohne daß ich es wollte, sind meine Gedanken
abgeschweift, und eine unbekannte Stimme hat mir zugeflüstert, daß ich in
meiner Arbeit etwas falsch gemacht oder daß ich irgend etwas Wichtiges
anzuordnen versäumt hätte. Und oft entdecke ich, daß ich Wesentliches in der Pension
oder im Büro habe liegenlassen.«
    »Aber ich bin so einsam«, klagt sie,
»und halte das Alleinsein einfach nicht mehr aus.«
    »Wir lassen uns wie von einem Strudel
hierhin und dorthin ziehen und tun nichts, um unsere Probleme zu lösen!«
    »Und was sollten wir tun?«
    Ich denke kurz nach und versuche, nur
der Logik zu gehorchen. Aber welcher Logik? Für jemanden, den seine

Weitere Kostenlose Bücher