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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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Gefühle überwältigen,
existiert die Logik nicht mehr. Es ist fast so, als suche ich nach neuen
Herausforderungen. »Wenn wir unseren Verstand fragen würden«, antworte ich, »so
würde er uns sagen, daß wir uns entweder trennen sollten oder aber du die
Scheidung verlangen müßtest. «
    Ihre grauen Augen weiten sich vor
Erschrecken, vielleicht eher, weil sie derselben Ansicht ist, als weil sie die
Scheidung nicht will.
    »Die Scheidung!«
    »Dann könnten wir doch ein neues Leben
beginnen«, sage ich ruhig.
    »Aber das wäre unerhört!«
    »Es wäre nur natürlich, und was mich
angeht ...«
    Sie stützt den Kopf in die Hände und
schweigt, damit ihre Hilflosigkeit andeutend.
    »Habe ich nicht gesagt, daß wir nichts
tun?« wiederhole ich.
    Dann, nach einer Weile des Schweigens,
frage ich sie: »Was hätte denn Fauzi an meiner Stelle getan, sag mir das!«
    »Aber du weißt doch, daß er mich
liebt!« entgegnet sie leise.
    »Er würde dich aber bestimmt nicht
zwingen, bei ihm zu bleiben, wenn er wüßte, daß du mich liebst!«
    »Denkst du nicht in sehr theoretischen
Kategorien?«
    »Nein, ich kenne Fauzi, und das ist
sehr realistisch gedacht.«
    »Stell dir vor, stell dir vor, er würde
sagen ... «
    »Du hast dich von ihm gelöst, seitdem
er im Gefängnis ist, nicht wahr?
    Aber das ist letztlich ohne Wert für
mich, denn du hast dich zwar von ihm gelöst, aber nicht von seinen Prinzipien
...»
    Ich stelle ihn mir vor, wie er auf der
Couch im Studio liegt, mich mit seinen mandelförmigen schwarzen Augen mustert,
Pfeife raucht, unzählige Probleme erörtert, aber nicht eine Sekunde lang an
seinem ehelichen Glück zweifelt.
    »Woran denkst du eigentlich?« fragt sie
mich.
    »Daran, daß das eigentliche Leben sich
nur denen erschließt, die es verdienen.« Ich nehme ihre Hand und fordere sie
auf: »Komm, laß uns etwas trinken, damit wir endlich aufhören nachzudenken!«
    Ich bin so in meine
Gedanken versunken, daß ich nicht wahrnehme, was um mich herum geschieht. Zorn
würgt mich. Seitdem ich davon erfahren habe, daß Husni Allam über Zuchra
hergefallen ist, ersticke ich fast vor Zorn. Mit mir im Entrée sitzen Amir
Wagdi und Madame, doch von dem, worüber sie sprechen, höre ich nur ein Wispern.
Auch von dem Streit zwischen Sarhan und Husni hatte ich vernommen und wünschte
mir, er hätte so lange gedauert, bis sie sich gegenseitig umgebracht hätten.
Ich wünsche mir auch, ich könnte Husni seine gerechte Strafe zuteil werden
lassen, zweifle andererseits nicht daran, daß er kräftig genug ist, mich dabei
umzubringen. So hasse ich ihn bis zur Raserei. Daß Madame aufsteht und
hinausgeht, holt mich wieder in meine Umgebung zurück. Ich schaue zu Amir Wagdi
und merke, daß er mich voller Fürsorge und Sympathie ansieht. Das bringt die
Mordgelüste in meinem Herzen zum Abklingen. Mir kommt der absonderliche
Gedanke, der alte Mann könnte vielleicht ein enger Freund meines Vaters oder
Großvaters gewesen sein.
    Er fragt mich, wovon ich geträumt habe,
und ich entgegne kurz: »Mir scheint, für mich gibt es keine Zukunft. «
    Er lächelt so, als ob er um alles wisse
und als habe er meinen Zorn schon oft und in den verschiedensten Formen erlebt.
Dann meint er: »Jugend will sich nie zufriedengeben! Das ist alles.«
    »Die Vergangenheit hat mich so
beschäftigt, daß mir der Gedanke kam, es gebe keine Zukunft.«
    Er sagt ernst, nun ohne jedes Lächeln:
»Es mag Erschütterungen im Leben geben, Irrtümer, Unglücksschläge. Aber Sie
verdienen es zu leben, wie nur irgendeiner!«
    Ich verspüre einen Widerwillen dagegen,
meine Sorgen mit ihm zu besprechen, sogar die, die ganz legitim sind. So frage
ich ihn ausweichend:
    »Was für Träume haben Sie denn so,
Ustas?«
    Er lacht lange und gibt dann zur
Antwort: »Alte Leute schlafen so wenig, daß sich Träume erübrigen. Ich wünsche
mir nur noch eins: einen sanften Tod!«
    »So gibt es also mehrere Arten zu
sterben?«
    »Selig derjenige, der nach einem
angenehmen Abend einschläft, um nie wieder aufzuwachen!«
    »Glauben Sie daran, daß Sie eines Tages
wiederauferstehen werden?« frage ich ihn, fasziniert davon, wie gut man sich
mit ihm unterhalten kann.
    Wieder lacht er und sagt dann: »Ja, und
zwar dann, wenn Sie Ihre Programme in einem Buch veröffentlichen!«
    Das Wetter in Alexandria
sagt mir zu. Nicht wenn der Himmel klar ist und die Sonne mit ihren wärmenden
Strahlen die Erde vergoldet, sondern in seinen winterlichen Zornesausbrüchen,
wenn sich dicke Wolken zu

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