Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
ich mich nie, an diese Schräge! Nachdem ich auch das Fenster geputzt hatte und mit allem anderen fertig war und sämtliche Putzutensilien von mir in der Besenkammer im Erdgeschoss verstaut worden waren, kam Mira zu mir. Sie blickte mich prüfend an und fragte: „Melissa, ich habe was mit Ihnen und Ihrem Zimmer vor. Es wird Ihnen ungewöhnlich erscheinen, aber ich würde mich freuen, wenn Sie mich gewähren lassen und auch mitarbeiten. Ich finde, heute ist ein exzellenter Tag für eine feinstoffliche Reinigung und Neuprogrammierung!“
Ich machte ein dummes Gesicht und fragte: „Wofür?“
Sie strahlte mich spitzbübisch an.
Und dann dämmerte es mir. Ich hatte vor Wochen aus Miras Bücherschrank eines der Feng Shui Bücher ausgeliehen, das von Karen Kingston. Ja klar, sie sprach von einem „Space Clearing“. Das versprach, interessant zu werden.
„Ja gern! Und was soll ich tun?“
„Nun. Zuerst helfen Sie mir bitte die Treppe hoch.“
Ich nickte und nahm ihren linken Arm, während sie sich mit dem rechten Arm am Geländer festhielt. Schritt für Schritt, voller Konzentration, arbeitete die alte Dame sich hoch. Seit dem Sturz hatte sie einen Heidenrespekt vor Treppen und sie war auch noch ein wenig wackelig auf den Beinen. Und gerade diese steile, alte Treppe hatte es „in sich“. Die Stufen waren schon ausgetreten.
Oben angekommen, verschnaufte Mira ein wenig und sah bemüht von der Treppe weg, so als sei ihr schwindelig. Aber ich denke, es war Angst vor einem neuerlichen Sturz.
„Viel zu lange bin ich nicht mehr hier oben gewesen. Mir fehlt mein Zimmer so sehr!“
Als ich was sagen wollte, schüttelte sie energisch ihre weißen Löckchen. „Nein, nein. Nicht das Zimmer, in dem Sie jetzt schlafen, Melissa. Das meinte ich nicht. Ich spreche von meinem Meditationsraum, meinem „Engelzimmer“. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Rest vom Dachgeschoss, Sie kennen ja nur den Schlafraum und das angrenzende Bad.“
Sie führte mich zu einer schneeweißen Tür, tastete auf dem Türsims nach dem Schlüssel (oh, das war ja so ein entzückender großer alter Schlüssel mit „Bart“!), öffnete die Tür langsam und trat ein.
„Kommen Sie, Melissa, kommen Sie rein. Nur gut, dass hier oben noch keine neuen Kunststofffenster eingebaut sind, die alten Holzfenster lassen wenigstens noch ein wenig Sauerstoff rein. Trotzdem muss hier jetzt dringend gelüftet werden!“ Sie wackelte energisch zum Fenster und öffnete es mit leisem Stöhnen. Ihre Hand war nicht wieder zur selben Kraft gelangt wie vor dem Bruch. Sie drehte sich zu mir um und schaute mich erwartungsvoll an. Ich aber stand wie ein kleines Kind mit offenem Mund da und konnte mich nicht sattsehen. Dieser Raum! Gott, was war der schön!
Die holzvertäfelten Wände waren schneeweiß gestrichen und trugen kleine goldene und silberne Ornamente: kleine Mandalas und Symbole, die mir nicht alle bekannt waren. An einer Wand waren viele kleine Regale angebracht, sie quollen fast über vor Halbedelsteinen wie Amethyst, Bergkristall, Rosenquarz und Fluorit. Dann waren da noch Turmalin, Schörl, mehrere Labradoritkugeln und Mineralien, die ich nicht auf den ersten Blick zuordnen konnte. Ein Stein schöner und größer als der andere! Ich musste an den wunderschönen Amethyst denken, den meine Mutter mir zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Was für ein Glück, dass ich ihn nicht in der Wohnung gelassen hatte, sonst wäre er vom Feuer verdorben worden, nicht auszudenken!
Hinter den meisten Steinen waren kleine Spiegelflächen in die Regale integriert, so dass die Pracht sich optisch vermehrte. Es handelte sich um eine beachtliche Sammlung.
Und Kerzen! Überall schöne Kerzen dazwischen! Teils ganz schlichte, teils kunstvoll verzierte mit komplizierten Ornamenten. So was gab es nirgends zu kaufen, das musste Handarbeit sein. Wahrscheinlich von Miras Hand.
An der Wand der Tür gegenüber waren gerahmte Bilder und auch hochwertige Poster aufgehängt. Einige Motive waren von Leiffendecker. Ich erkannte sie sofort, denn ich hatte mal eine Reportage für FRiZ geschrieben über die sakrale Kunst der Gegenwart. Meines Erachtens gehörte auch Leiffendeckers Kunst dazu, aber Linda war anderer Meinung gewesen und hatte alles über ihn und seine Zeichnungen aus meinem Text gestrichen. Das hatte ich ihr insgeheim sehr übel genommen. Ich sah hier an der Wand aber auch Darstellungen von einer Art exotischer Göttin. Ich trat etwas näher und betrachtete sie. Sie schien zur
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