Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser
nickte schwach. »Alec«, drängte sie. »Ich muß dir was erzählen. Einem Fremden kann ich das nicht anvertrauen. Du könntest es ja dann dem verantwortlichen Detective mit- teilen.«
»Du weißt doch genau, Liebes, daß das nicht geht. Wenn du zweckdienliche Hinweise hast, mußt du sie den Leuten hier vor Ort auch zur Verfügung stellen.«
»Stimmt schon. Aber du könntest mir doch sagen, was zweckdienlich ist.«
»Also Watson, du kennst doch meine Methoden. Jedes De- tail könnte sich als zweckdienlich erweisen. Den Polizisten, die die Untersuchung durchführen, darfst du nichts vorent- halten.«
»In Ordnung.« Daisy seufzte. »Laß es mich dir wenigstens erzählen, damit ich meine Gedanken vorher kämmen kann. Nur fürchte ich eines: wenn ich recht habe, wird man dich bitten, den Fall zu übernehmen.«
»Nein! Nicht an unserem Wochenende!« entfuhr es Alec. Er erhob sich und zog Daisy mit sich hoch, um sie fest zu umarmen.
Der Arzt drehte sich taktvoll um, klappte seinen tragbaren Jagdhocker auseinander und setzte sich, um dem Start des nächsten Durchlaufs zuzusehen.
Daisy freute sich riesig an Alecs Ärger über die drohende Störung ihres gemeinsamen Wochenendes. Dennoch lag Trauer in ihrer Stimme, als sie sagte: »Ich hab aber Zweifel, daß Scotland Yard einen anderen Detective hierher abkom- mandiert, wenn du schon am Ort des Geschehens bist und sogar Zeuge von DeLanceys Tod wurdest. Es ist nämlich komplizierter, als du glaubst. DeLancey ist zwar in Berkshire gestorben, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß er in Bucking- hamshire eins über den Schädel bekommen hat.«
»Verdammt«, stöhnte Alec auf. »Verzeih, der Fluch ist mir so rausgerutscht. Du hast recht, da muß natürlich eine über- geordnete Behörde eingeschaltet werden. Und wenn mein Assistant Commissioner erfährt, daß du in die Sache ver- wickelt bist, dann wird er darauf bestehen, daß ich die Unter- suchung in die Hand nehme.«
»Ich versteh überhaupt nicht, wieso dein Assistant Com- missioner den Schwarzen Peter immer mir zuschiebt«, sagte Daisy mit einiger Empörung. »Schließlich hab ich dir mehr als einmal geholfen. Und zwar sehr.«
Er zog eine Grimasse. »Daisy, wie schaffst du es eigentlich immer, über Leichen zu stolpern? Sehen dich die Leute im Anmarsch und beschließen, jetzt wäre der richtige Augen- blick, jemanden umzubringen?«
»Ich kann doch nichts dafür. Es ist so, wie wenn man auf ein unbekanntes Wort stößt und egal, was man in der näch- sten Woche liest – immer stolpert man über diesen Begriff. Oder wenn man Bekannte trifft, die man seit Jahren aus den Augen verloren hatte, und plötzlich sieht man sie alle nase- lang. Das passiert schließlich vielen Menschen.«
»Aber nicht mit Leichen. Jetzt erzähl mir mal die ganze Ge- schichte.«
»Müssen wir dazu hierbleiben, so direkt neben ihm ?« Ob- wohl Daisy mit dem Rücken zu DeLancey stand, dessen Ge- sicht bedeckt war und dessen Augen man geschlossen hatte, spürte sie doch seinen toten, vorwurfsvollen Blick auf sich gerichtet.
»Nein. Wir müssen nur in Hörweite sein, wenn man uns ruft. Da drüben auf der Wiese wird man uns nicht stören. Ge- hen wir doch dahin.«
Auf dem Treidelpfad kamen jetzt immer mehr Menschen entlang. Gaffer beglotzten den weinroten Blazer und die nackten Beine, die darunter hervorlugten und von der Sonne allmählich getrocknet wurden. Constable Rogers scheuchte alle energisch weiter.
»Es hat ‘nen Unfall gegeben«, wiederholte er immer wieder, egal, welche Frage gestellt wurde.
Schon hatte sich außerhalb der Reichweite des Constables eine neue Gruppe von Zuschauern gebildet, die etwas fluß- abwärts von der Startlinie standen und sich ausschließlich darum kümmerten, eine gute Sicht auf die Mannschaften zu haben, die sie anfeuern wollten.
Während Alec sich mit Rogers kurzschloß und dann Mere- dith, Wells und Poindexter bat, näher heranzutreten und bei DeLanceys Leichnam Wache zu stehen, ging Daisy etwas wei- ter in die Wiese hinein. Das Gras war bereits gemäht worden, um Heu zu machen, und schon zeigten kleine Sonnenaugen und lilafarbene Flockenblumen ihre Köpfe. Sie setzte sich auf eine leichte Böschung.
Alec gesellte sich zu ihr. »Nimm doch lieber auf meiner Jacke Platz«, bot er an und begann, sich herauszuschälen.
»Laß mal. Du wirst gleich professionell wirken müssen, wenn die Polizisten aus dem Ort erscheinen. Der Boden ist ja ganz trocken, und für mein Kleid ist es ohnehin zu spät.«
Alec ließ etwa einen
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