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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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Besseres passieren?!« Das ist Jenny. Sie fläzt auf einem Stuhl in der Cafeteria, wirft die blonden Haare zurück und findet meine peinliche Doppelbegegnung mit dem Oberarzt großartig. Immer nett, wenn andere fabelhaft finden, was dich selbst vor Scham in den Boden versinken lässt. Sollen die es doch erleben! Obwohl: Wenn ich meine neue Mitbewohnerin Jenny schon richtig einschätze, hätte SIE wohl nicht nur mit rotem Kopf die Diagnose der kleinen Omi heruntergestottert. Sie hätte die Chance genutzt, sich vorzustellen und den schönen Beinen ein gewinnendes Lächeln und den Eindruck einer motivierten, gebildeten Mitarbeiterin hinzugefügt. Ich hab nicht mal meinen Namen rausgebracht. Jenny findet das perfekt.
    Â»Nichts macht mehr Eindruck als Sex-Appeal und Geheimnis!«, sagt sie. Pah, wo war denn das geheimnisvoll? Am Kittel klemmt mein Namensschild. Und es war ganz offensichtlich, dass ich zu verlegen war, um überhaupt auf die Idee zu kommen, mich vorzustellen.
    Hätte ich ihr bloß nicht gesagt, dass Dr. Thalheim so gut aussieht! In massiver Verkennung der Problematik wittert Jenny bereits eine Romanze. Während sie die Verzückung des Oberarztes in den buntesten Farben ausmalt – wenn man ihr glauben darf, verzehrt er sich bereits nach dem mysteriösen Aschenputtel –, sehe ich mich in der Cafeteria um. Ärzte und Schwestern, manche schweigsam, andere ins Gespräch vertieft, von dem ich mirvorstelle, dass es sich um die Erörterung lebensrettender Maßnahmen dreht. Manche wirken müde, erschöpft von der Last der Verantwortung oder der Nachtschicht. Andere – das muss man auch zugeben – schaufeln einfach den Pudding in sich hinein, als gäbe es kein Morgen. Na wer weiß, vielleicht gibt es morgen keinen. Ich behalte die Tür im Auge. ER ist noch nicht da. Eins steht nämlich fest: Wenn Dr. Thalheim hereinkommt, werde ich gehen. Noch ist nicht entschieden, ob ich – wie Jenny vorschlägt – hoch erhobenen Hauptes und mit herablassendem Lächeln an ihm vorbeistolziere, oder ob ich mich – wonach MIR eher zumute ist – nach der anderen Seite in Richtung Toilette verdrücke und hoffe, dass die ein Fenster hat, das direkt auf die Straße und in mein neues Verkäuferinnenleben führt.
    Inzwischen hat auch Isa an unserem Tisch Platz genommen – die Dritte im Bunde der Anfängerinnen im Praktischen Jahr und auch die Dritte in unserer WG. Bevor ich überhaupt Luft geholt habe, hat Jenny ihr meine ganze Geschichte erzählt. Unglaublich, wie schnell diese Frau spricht! »Ist doch bombig«, endet ihre schöngefärbte Schilderung meiner Oberarzt-Blamage. Bombig ist wohl ihr Lieblingswort.
    Zum Glück ist Isa ganz anders als die kesse Jenny. Sie hat ein Herz und Verständnis dafür, dass ich meinen ersten Tag für verdorben halte. »Das ist ja schrecklich!«, haucht sie entsetzt, als wäre sie es, die dem Oberarzt am ersten Tag nichts als den kittelbewehrten Hintern zu zeigen hatte. Allerdings stellt Isa es nun wieder so dar, als könne ich mich nie, nie wieder unter Dr. Thalheims Augen trauen. Ich habe doch immerhin herausgebracht, dass die arme Omi, die ich aufopfernd im Rollstuhl verstaute, wohl an einer Pneumonie leidet. Und dazu – man glaubt es kaum – habe ich mich aufgerappelt und Dr. Thalheim tatsächlich zur Abwechslung mal das Gesicht entgegengestreckt. Und meine Diagnose beweist doch, dass ich zumindest ein erstes Semester absolviert habe und nicht zur Dekoration hier bin. Dann habe ich die Omi in die Aufnahme gerollt und Dr. Thalheim hat sich endlich dem Krankenzimmer zugewandt, aus demer angeklingelt wurde. Ach ja – den unverschämten Herrn Ritter hatte ich kurz verdrängt. Jetzt wird mir klar, dass mir unweigerlich eine dritte Oberarztbegegnung bevorsteht. Wenn dieser freche, braunlockige Ohne-Helm-Fahrer sich über mich beschwert hat, wird Dr. Thalheim zwangsläufig das Gespräch mit der eindrucksvollsten seiner Anfängerinnen suchen müssen. Vielleicht meine Gelegenheit, einen perfekten dritten Eindruck zu machen? Diesmal bin ich jedenfalls vorbereitet.
    Isa und Jenny plaudern unterdessen schon über den Nachmittag: Visite mit der Stationsärztin – der Blonden von heute Morgen. Jenny ist voller Enthusiasmus; sie hat sich schon den Klinik-Klatsch über Dr. Ross, unsere Stationsärztin,

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