Miss Marples letzte Fälle
übel.«
»Wir würden uns nur lächerlich machen«, entgegnete Alicia Coombe. »Es war nicht ernst gemeint. Nein, ich fürchte, wir werden so weitermachen müssen bis…«
»Bis was?«
»Ach, ich weiß nicht.« Alicia lachte unsicher.
Am folgenden Tag fand Sybil, als sie ins Atelier kam, die Tür zum Anproberaum verschlossen.
»Miss Coombe, haben Sie den Schlüssel? Haben Sie gestern Abend hier zugeschlossen?«
»Ja«, erwiderte Alicia Coombe, »ich habe diese Tür a b geschlossen und sie bleibt abgeschlossen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine damit lediglich, dass ich das Zimmer aufg e geben habe. Wir brauchen keine zwei Räume. Wir kö n nen die Anproben auch hier drinnen machen.«
»Aber es ist doch Ihr eigenes privates Wohnzimmer.«
»Ach, ich brauche es nicht mehr. Ich habe ein sehr hü b sches Schlafzimmer. Daraus kann ich sehr gut ein Woh n schlafzimmer machen, nicht wahr?«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie wirklich nie wieder in diesen Raum gehen werden?«, fragte Sybil ungläubig.
»Genau das wollte ich sagen, ja.«
»Aber – aber wie ist es mit dem Saubermachen? Es wird doch bald fürchterlich aussehen da drinnen.«
»Soll es doch!«, rief Alicia Coombe. »Wenn dieses Zimmer nun schon mal von einer spukenden Puppe heimgesucht wird, na gut – soll sie es behalten. Und es selber sauber machen.« Und sie fügte hinzu: »Die hasst uns nämlich.«
»Was soll das heißen?«, fragte Sybil. »Die Puppe hasst uns?«
»Ja«, erwiderte Alicia. »Haben Sie das nicht gewusst? Sie müssen es gewusst haben. Sie müssen es ihr doch ang e sehen haben.«
»Ja«, sagte Sybil nachdenklich, »ich glaube schon. Ich glaube, ich habe das von Anfang an gespürt – dass sie uns hasste und uns von dort vertreiben wollte.«
»Sie ist eine boshafte kleine Person«, bestätigte Alicia Coombe. »Immerhin, jetzt dürfte sie ja zufrieden sein.«
Danach wurde es etwas friedlicher. Alicia Coombe ve r kündete ihren Angestellten, dass sie vorläufig den Anpr o beraum nicht mehr benützen werde – es seien zu viele Zimmer zum Staubwischen und Saubermachen, erklärte sie.
Es half ihr allerdings kaum, als sie am Abend des gle i chen Tages mit anhörte, wie eine der Näherinnen zu einer anderen sagte: »Jetzt ist sie wirklich übergeschnappt, u n sere Miss Coombe. Ich hab mir ja schon immer gedacht, dass sie ein bisschen plemplem sein muss – so wie sie ständig alles verliert und vergisst. Aber jetzt ist ’ s ganz aus, was? Sie spielt ja richtiggehend verrückt wegen dieser Puppe da unten.«
»Oh, du glaubst doch nicht etwa, sie wird echt übe r schnappen?«, gab das andere Mädchen zurück. »Sodass sie vielleicht mit dem Messer auf uns losgeht oder so?«
Sie gingen schwatzend weiter, und Alicia richtete sich entrüstet in ihrem Sessel auf. Überschnappen – unerhört! Dann sagte sie resignierend zu sich selbst: »Wenn Sybil nicht wäre, würde ich wahrscheinlich selber glauben, dass ich bald überschnappe. Aber ich und Sybil und Mrs Gr o ves – wir alle drei – na, es muss doch etwas dran sein. Bloß eines kann ich mir nicht vorstellen, wie soll das e n den?«
Drei Wochen später sagte Sybil zu Alicia Coombe: »I r gendwann müssen wir einmal in dieses Zimmer.«
»Warum?«
»Na, ich meine, es muss doch in einem schauderhaften Zustand sein. Die Motten werden überall hineinkommen und überhaupt. Wir sollten bloß mal kurz Staub wischen und ausfegen und dann wieder zusperren.«
»Ich würde es viel lieber abgeschlossen lassen und nicht mehr hineingehen«, wandte Alicia Coombe ein.
»Also wissen Sie«, sagte Sybil, »Sie sind ja noch abe r gläubischer als ich.«
»Mag sein. Ich war viel eher dazu bereit, an all diese Dinge zu glauben als Sie, aber am Anfang, wissen Sie, da – fand ich es sonderbarerweise irgendwie aufregend. Ach, ich weiß nicht. Ich habe einfach Angst und möchte dieses Zimmer lieber nicht mehr betreten.«
»Ich schon«, entgegnete Sybil, »und ich tu ’ s auch.«
»Wissen Sie was?«, sagte Alicia Coombe. »Sie sind ei n fach neugierig, das ist alles.«
»Also meinetwegen, dann bin ich eben neugierig. Ich möchte gern sehen, was die Puppe gemacht hat.«
»Ich glaube immer noch, es wäre viel besser, sie in Ruhe zu lassen«, sagte Alicia. »Jetzt, wo wir nicht mehr in das Zimmer gehen, ist sie zufrieden. Lassen Sie es lieber d a bei.« Sie seufzte gereizt. »Was reden wir bloß für einen Unsinn!«
»Ja, ich weiß, dass wir Unsinn reden, aber wenn Sie mir verraten können,
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