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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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glaube ich auch nicht.«
    »Du glaubst also an den Zufall, ja?«
    Seine Stimme klang jetzt herausfordernd. Fast, als wolle er mit mir streiten. Schnell und aufgeregt ging es weiter:
    »Du glaubst an Zufall? Dann lassen wir den Zufall doch entscheiden. Hier«, er kramte eine 1.000-Dong-Münze aus seiner Tasche, »Pagode oder Zahl?«
    Er meinte diesen irren Vorschlag offenbar ernst.
    »Du spinnst!« Ich versuchte, meine Stimme belustigt klingen zu lassen. »Das kann doch nicht …«
    »Doch! Du kannst dich nicht entscheiden. Du glaubst an Zufall. Also lassen wir den Zufall entscheiden. Hier und jetzt.«
    »Aber …«
    »Kein Aber! Du hast alles hundertmal durchdacht. Wir haben endlos diskutiert. Du weißt alles, was du wissen kannst. Die offenen Fragen, die du noch hast, wirst du nie beantworten können, wenn du dich nicht jetzt für einen Weg entscheidest. Du glaubst, dass das Leben eine Kette von Zufällen ist, also können wir auch eine Münze werfen.«
    Ich blickte auf seine Hand. Sollte dieses kleine, kupferfarbene Rund wirklich meine Zukunft bestimmen? Natürlich nicht. Andererseits war es ja nur ein Spiel, oder?
    »Los! Wofür steht die Zahl? Wofür die Pagode? Das musst du mir sagen.«
    »Also gut. Die Pagode erinnert mich an ein Haus. Also steht sie für Heirat und Familie. Die Zahl 1.000 ist die Anzahl der Frauen, die ich in Zukunft noch haben werde, weil ich nämlich Single bleibe, wenn sie oben liegt.«
    Minh hatte kein Ohr für meine Späße. Er drückte hastig seine erst halb gerauchte Zigarette auf dem Boden aus und
schnippte die Kippe über das Geländer. Unten, auf der Straße, näherte sich das rhythmische Klappern aneinandergeschlagener Löffel, mit dem fahrende Suppenverkäufer auf sich aufmerksam machen. Klack-klack. Klack-klack. Es klang wie ein Countdown. Minh sah mich forschend an und sagte nachdrücklich:
    »Egal was jetzt kommt: Das ist die Entscheidung, mit der du leben musst!«
    Damit schnippte er das Geldstück in die Luft.
    Gebannt verfolgte ich den Flug der Münze. Es war längst dunkel, doch ich konnte auf ihren zahllosen Umdrehungen leicht schimmernde Reflexionen erkennen. Dann schnappte Minhs Hand auch schon wieder zu, beschrieb einen eleganten Bogen und landete - die Münze unter sich begrabend - auf dem kleinen Holztisch vor uns. Einen kurzen Augenblick verweilte er so. Obwohl ich immer noch versuchte, das alles als Spiel zu betrachten, pumpte mein Herz im Rhythmus mit dem Klackern des Suppenverkäufers.
    »Das ist deine Zukunft.«
    Mit diesen pathetischen Worten lüftete Minh seine Hand.
    Im Schein der flackernden Öllampe zeigte die Münze ihr Antlitz.
    1.000 Dong.
    Scheiße!
    »Nun«, versuchte ich den Anflug von Enttäuschung hinter einem Witz zu verbergen, »dann muss ich mich wohl um die 1.000 Frauen kümmern. Ist doch auch nicht schlecht.«
    »Was hast du gedacht?«
    »Was?«
    »Was hast du als Allererstes gedacht, als du die Zahl gesehen hast?«

    »Ehrlich gesagt: Ich war enttäuscht.«
    Minh grinste und ließ sich wieder in den Liegestuhl zurücksinken.
    »Siehst du: Jetzt weißt du, was du willst. Ruf Lien am besten gleich an, und verabrede dich mit ihr für morgen. Dann erzählst du ihr von deiner Situation - und wie du sie gerne lösen willst.«
    Perplex starrte ich meinen Freund an, der zufrieden in den Himmel blickte. Dann griff ich zum Telefon und wählte Liens Nummer.

28.
    Selektive Wahrnehmung: Das Kondom ist gerissen, und plötzlich sieht man auf der Straße nichts als junge Pärchen, die einen Kinderwagen vor sich her bugsieren. Man hat nur noch für die Schrott-Airline ein Ticket bekommen, und es vergeht kein Tag, an dem in den Nachrichten nicht über einen Absturz berichtet wird. Oder man ist verliebt und wird alle fünf Minuten auf eine Hochzeit eingeladen.
    Tatsächlich pfefferte der Briefträger mir mehrmals pro Woche einen Umschlag unterm Eingangstor durch, auf dem zwei Schwäne abgebildet waren, deren Hälse gemeinsam ein Herz formten.
    Nicht dass ich mir etwas auf meine Popularität einbildete, mir waren die drei wahren Gründe für die Einladungsflut durchaus bewusst:
    1. Es war Oktober. Die traditionelle Hochzeitssaison begann.
    2. Es gibt in Vietnam unglaublich viele junge Menschen, die - angesichts der Unmöglichkeit, ohne Trauschein zusammenzuleben - allesamt heiraten, und die
    3. zu ihrer Hochzeit jeden einladen müssen, den sie oder ein Mitglied ihrer Familie kennen, gekannt haben oder in Zukunft kennenlernen könnten.

    Auch Herr Huy, der mir

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