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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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unbekannte Bruder eines Arbeitskollegen, bat in diesen Tagen um mein Erscheinen auf seinem Fest. Ich war mäßig begeistert. Eine vietnamesische Hochzeitsparty hat zwar ihre amüsanten Seiten - immerhin wird zu einer tiệc rượu (Alkoholparty) geladen -, läuft aber stets nach dem gleichen, standardisierten Muster ab. Wer zwei Mal dabei war, kann das Geschehen schon perfekt vorhersehen. Wer zwanzig Mal dabei war (ein Wert, den man schnell erreicht), möchte sich am liebsten um den nächsten Besuch drücken. Allerdings gebot es die Höflichkeit, dass niemand auf meine Anwesenheit verzichten musste, also machte ich mich auf den Weg.
    Am Ort des Geschehens angekommen, hatte ich meine Schwierigkeiten herauszufinden, wo genau die Party stattfand, denn in dem riesigen, eigens für Trauungsfeierlichkeiten errichteten Gebäudekomplex empfingen auch noch fünf oder sechs andere Paare die Hundertschaften ihrer Gäste. Ich warf einen Blick auf die Ankündigungstafel am Eingang. Ein Herr Thang und seine Frau Lan Anh ließen es richtig krachen. Sie hatten den Hauptsaal gemietet, der Platz für 700 Personen bot. Auf Verwandte, Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen, Geschäftspartner, den Chef des Bruders, den Lehrer der Cousine und wen man noch so braucht, um alle Tische zu füllen, wollten die beiden wohl mächtig Eindruck machen - was das wichtigste Ziel der ganzen Feierei ist.
    Ich musste jedoch weiter, die Treppe hoch in den 3. Stock, wo sich ein kleinerer Raum befand, der lediglich 300 Leute fassen konnte. Die beiden Brautleute standen schon am Eingang bereit. Es ist wichtig, dass jeder Gast einzeln begrüßt wird. Noch wichtiger ist, dass dies vom Foto- und Video-Team festgehalten wird. Am wichtigsten ist allerdings, dass
der Gast anschließend einen Umschlag in eine bereit stehende Box steckt, eine Finanzspritze, ohne die sich die meisten Pärchen die Hochzeitsfeier gar nicht leisten könnten. Ich wusste, dass sich die Frischvermählten ans Geldzählen machen würden, sobald der letzte Gast gegangen war. Ich wusste auch, dass es für tagelangen Gesprächsstoff sorgen würde, wer wie viel geschenkt hatte. Von einem Ausländer wurde natürlich eine besonders hohe Spende erwartet, also ließ ich mich nicht lumpen, auch wenn ich Braut und Bräutigam nie zuvor gesehen hatte.
    Mein Obolus verschwand in dem Kasten, dann trat ich in den Saal und scannte die dreißig runden Tische. Minh und ein paar andere Kollegen saßen im hinteren Bereich des Raumes. Kaum hatte ich mich dazugesellt, kam ein Kellner angerauscht, schichtete Eis in mein Glas und füllte es mit Bier auf. Die Gruppe am Nebentisch war wohl schon etwas länger da und stieß bereits mit lauten, alkoholbefeuerten Stimmen »Eins, zwei, drei - Prost!«-Rufen an. Das forderte wiederum einen anderen Tisch heraus, noch stärker zu brüllen. So ging es ein paarmal hin und her, bis schließlich ein Ansager auf der Bühne am Kopf des Saales erschien und das Brautpaar ankündigte.
    Pompöse Musik. Einzug der Gladiatoren.
    Das Paar und ihre Eltern erklommen die Bühne, und es wurden ein paar kurze Reden geschwungen. Ich beäugte die beiden. Die Braut in klassisch weißem Tüll. Der Bräutigam im Anzug. Ich versuchte mir vorzustellen, wie Lien und ich dort oben stehen würden. Wie wir den Champagner in die bereit stehende Sektkelchpyramide gossen. Wie wir für die Fotografen posierten, während wir gemeinsam die Hochzeitstorte anschnitten. Die Gedanken fühlten sich fremd, aber
gut an. Noch während ich ihnen nachhing, schleppten die Kellner bereits Gang um Gang das Menü herein: Lotussalat mit Garnelen, Spanferkel mit süßem Gebäck, Hotpot mit Meeresfrüchten, so ging es in einem fort. Während wir uns den Bauch vollschlugen, in »Eins, zwei, drei - Prost!«-Schreiwettbewerbe traten oder die Bühne für eine Karaokeeinlage stürmten, musste das Brautpaar, dicht gefolgt vom Kamerateam, von Tisch zu Tisch gehen und sich bei den Gästen für das Kommen bedanken. Wie üblich wurde der Bräutigam an jeder Station zu »100 Prozent« aufgefordert, was hieß, dass er ein Bierglas in einem Zug austrinken sollte. An fast jedem Tisch machte es ihm ein Draufgänger vor und ließ anschließend die Eiswürfel im gerade geleerten Glas herausfordernd klingeln. Auch bei uns kam er nicht ungeschoren davon. Dabei bemitleidete ich den Bräutigam eigentlich bei jeder Feier, denn drei Dinge waren sicher: Nach einer Runde von dreißig, vierzig oder fünfzig Tischen hatte er am Abend einen hochroten

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