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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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einen oder anderen Seite landet. Zufall oder Schicksal? Woher sollte man das wissen? Aber im Grunde war es ja auch völlig egal. Es kommt doch nur darauf an, das Beste aus den Umständen zu machen. Ich schmunzelte in mich hinein: Meine Sozialisierung zum Vietnamesen war wohl schon weiter fortgeschritten, als ich vermutet hatte.
    In diesem Augenblick legten sich von hinten zwei Arme um mich. Ich hatte Lien gar nicht kommen hören. Wir blieben eine Weile wortlos aneinandergeschmiegt stehen und schauten auf die Landschaft vor uns. Das Grün hatte sich in Grau verwandelt, in dem nun vereinzelt kleine Lichtpunkte aufblühten.
    »Es ist wunderschön hier!«, sagte Lien.
    Ich drehte mich zu ihr um und drückte sie an mich.
    »Ja, aber nicht so schön wie du.«
    Schon wieder ein Klischee. Aber immerhin eins, das wirkte: Lien hauchte noch ein »Du alter Schmeichler« in mein Ohr, zog dann meinen Kopf zu sich heran und kredenzte mir einen intensiven Kuss.
    Dann hingen wir beide wieder über dem Geländer und verfolgten das rege Treiben auf der Straße diesseits des Flusses. Das gegenüberliegende Ufer war schon komplett in Schwarz getaucht, die riesigen Leuchtreklamen schienen wie losgelöst im dunklen Raum zu schweben. Nur auf dem Wasser vor ihnen zeichnete sich ein kräuselnder Widerschein ihrer Botschaften ab.
    In mir stieg eine Ruhe auf, deren Intensität fast schmerzte.
Wie eine frisch verabreichte Medizin schlich sie unaufhaltsam durch die Adern in jede Zelle meines Körpers und verbreitete die Wärme verloren geglaubter Empfindungen: Die Stärke, die keinen Zweifel zulässt. Die Gewissheit, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Das Gefühl, genau zu wissen, was zu tun ist.
    Und dann purzelten die Worte nur so aus mir heraus:
    »Lien, ich muss dir etwas sagen: Ich habe meinen Job verloren und muss bald wieder nach Deutschland zurück. Mein größter Wunsch ist, dass du mich dorthin begleitest - nicht für kurze Zeit, sondern für immer. Ich kann nicht mehr ohne dich sein. Ich liebe dich. Darum habe ich eine Frage: Willst du meine Frau werden?«

29.
    »Alles klar! Kein Problem. Wirklich. Gar kein Problem.«
    Meine Stimme klang gedämpft, denn mein Gesicht lag wie festgewachsen auf dem Tresen einer Berliner Kneipe. Immerhin: So bestand Hoffnung, dass meine Freunde diese Fehleinschätzung nicht hören würden - denn in Wahrheit hatte ich gerade mit mehreren Schwierigkeiten gleichzeitig zu kämpfen. Die geringste davon: mein Outfit. Um mein Haupt rankten sich die wallenden, blonden Haare einer Perücke, die wiederum durch einen Tirolerhut mit Gamsbart in Position gehalten wurde. Der Frauenmantel, in dem ich steckte, war viel zu klein, quietschbunt und galt bereits in den 70er Jahren als »ziemlich gewagt«. Dass ein Paar aufgeblasene Schwimmflügelchen meine Arme zierten, mag da dem oberflächlichen Betrachter gar nicht aufgefallen sein. Die knallrote Hose, die um meine Beine schlabberte, wäre selbst Jürgen zu weit gewesen - von daher wusste ich es zu schätzen, dass man mir einen Gürtel spendiert hatte. Weniger erfreut war ich, dass dieser statt einer Schnalle ein Leuchtdioden-Display hatte, auf dem abwechselnd I am Number One! und Für 5 Euro tue ich alles! aufblinkte. Aber wahrscheinlich bemerkte auch dies niemand, weil jeder zuerst auf die Spielzeug-Sträflingskugel starrte, die an mein Fußgelenk gekettet war.
    Solch ein Aufzug ist durchaus ein Grund zur Besorgnis. Doch vielmehr beschäftigte mich der Zustand meines Gesichts,
denn der Tresen, mit dem ich gerade auf Kuschelkurs ging, war von innen durch unzählige Birnen erleuchtet und glühheiß wie ein Grill. Derart erhitzt, garte meine linke Wange langsam aber sicher durch, im Augenblick schätzte ich sie in einem Stadium zwischen medium und well done ein. Es tat höllisch weh, doch in meinem Körper steckte zu wenig Kraft, um meinen Kopf von der glühenden Fläche zu heben.
    Auf einmal rissen mich zwei starke Arme hoch, ein Glas Bier wurde an meine Lippen gezwängt. Dankbar für die Befreiung aus dem Fegefeuer, gulpte ich die kühle Erfrischung weg, wohl wissend, dass sie meinen Kopf nur noch schwerer machen würde. Plötzlich Gejohle. Gepfeife. Vor meinen Augen vibrierten die wohlgeformten, nackten Brüste einer Frau, die kurz darauf auf alle Viere ging und mit ihrem spärlich verhüllten Hintern vor meinem Gesicht herumwedelte, als wolle sie meiner glühenden Wange frische Luft zufächeln. Links und rechts die Jungs, keiner mehr in der Lage, einen

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