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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Tausch
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Wochen später erneut auf eine harte Probe gestellt.
     
    »So schick heute?«
    Ich hatte Jürgen noch nie im Anzug gesehen. Sogar ein Paar Manschettenknöpfe lugten aus seinen Ärmeln.
    »Komm rein!«
    In seinem Büro war es wie immer auf frostige Temperaturen heruntergekühlt.
    »Mach mal die Tür zu.«
    Das gab es sonst nie. Von der übrigen Belegschaft verstand sowieso keiner Deutsch.
    »Setz dich.«
    Etwas lag in der Luft. Mir war nur noch nicht klar, ob da etwas Gutes oder Schlechtes auf mich zukam. Während ich gespannt wie ein Schuljunge am Tag der Zeugnisse dahockte, wuchtete Jürgen seine 150 Kilo Leergewicht von einem Ende seines Büros zum anderen und wieder zurück. Zwei, drei Mal ging es hin und her, dann blieb er am Fenster stehen und starrte auf die Straße, die sich fünf Stockwerke unter ihm dem nimmermüden Verkehr ergab.
    »Das ist ein komisches Land, nicht wahr?«, sagte er, wie zu sich selbst. Da er sichtlich keine Antwort erwartete, hielt ich den Mund.
    »Ich bin hier ein totaler Fremdkörper. Ich wiege so viel wie drei Vietnamesen zusammen. Ich spreche die Sprache nicht. Sobald es wärmer ist als 25 Grad, schwitze ich wie ein Iltis. Und hier hat es immer über 25 Grad. Das Beste ist: nach sieben Jahren in Saigon verstehe ich gerade mal so viel von der Kultur, dass mir klar ist, dass meine Umgangsformen hier völlig unakzeptabel sind.« Er kratzte sich am Kopf und fuhr
nach einer kurzen Pause fort: »Als ich hierherkam, hatte ich gerade eine Scheidung hinter mir. Nix in der Tasche. Oder zumindest nicht viel. Dann habe ich diese Firma aufgebaut. Und die ist gewachsen - so wie das Land. Der Erfolg kam. Das Geld. Und mehr Erfolg. Und mehr Geld. Mittlerweile ist die Agentur eine der größten in Saigon. Wir stehen also ganz gut da.«
    Wieder machte Jürgen eine Pause, die ich für ein paar Überlegungen nutzte: Vielleicht wollte er mich auf eine merkwürdige Art auf eine Gehaltserhöhung vorbereiten?
    Als er schließlich weitersprach, mischte sich Stolz in seine Stimme.
    »Heute habe ich nun einen entscheidenden Schritt getan. Ich habe die Firma verkauft.«
    »Was? Erzähl!«
    Fassungslosigkeit meinerseits. Mit keinem Wort hatte Jürgen erwähnt, dass er diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zog.
    »Das kam für mich selber überraschend. Ich hatte darüber nie ernsthaft nachgedacht. Aber bei dem Preis, den mir der Investor geboten hat, wäre ich bescheuert, es nicht zu tun. Damit bin ich bis an mein Lebensende finanziell unabhängig - zumindest wenn ich in Saigon lebe, und das habe ich vor. Ich werde auch weiter Geschäftsführer bleiben. Es wird sich also nicht so wahnsinnig viel ändern, außer dass ich mir um meine Rente keine Sorgen mehr machen muss - selbst wenn ich heute aufhören würde zu arbeiten.«
    »Gratuliere! Her mit dem Schampus!«
    In der Tat hatte ich auf dem Regal hinter Jürgens Schreibtisch eine Einkaufstüte gesehen, aus der der goldene Hals einer Champagnerflasche ragte. Ich versuchte, Jürgen anzustrahlen.
Doch da er immer noch zum Fenster hinausstarrte, schenkte ich nur seinem Stiernacken ein Lächeln.
    »Wart’s ab, mein Junge! Wart’s ab!«
    Endlich drehte er sich wieder zu mir um. Auf seinem Gesicht waren keine Spuren der Freude zu entdecken.
    »Ich weiß nicht, warum und wieso. Aber der Investor hat bei dem ganzen Deal auf eine Bedingung besonders viel Wert gelegt.«
    »Und zwar?« Erster Argwohn in meiner Stimme.
    »Ich habe versucht, es ihm auszureden. Aber da ließ sich nichts machen.«
    »Nun sag schon!«
    »Er hat darauf bestanden, dass ich dich rauswerfe.«
    Die Info brauchte ein bisschen, bis sie in ihrer ganzen Tragweite mein Oberstübchen erreicht hatte. Dann: Atemnot. Herzrasen. Schwarz vor Augen.
    »Ebi-san!«, stieß ich durch die geschlossenen Zähne hervor.
    »Ich weiß nicht, was du diesem Typen getan hast. Aber es war sicher keine gute Idee. Er gehört nicht zu denen, die sich die Butter vom Brot nehmen lassen.«
    Eine Lawine an Bildern raste durch meinen Kopf: Ebi-san mit einem dicken Geldkoffer. Jürgen, der mit feistem Lächeln den Vertrag unterschreibt. Ebi und Jürgen, wie sie mit klirrenden Gläsern anstoßen und sich zu dem gelungenen Deal gratulieren.
    »Das Schwein!« Ich grunzte selber fast bei diesen Worten. »Und du? Du machst da einfach mit! Fragst mich nicht mal, was da los ist!«
    »Was soll der Mist?« Seine Stimme klang nun barsch. »Du glaubst doch selber nicht, dass ich dich vorher frage! Wäre es
dem Herrn recht, wenn ich ihn

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