Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Miss Seeton und der Hexenzauber

Titel: Miss Seeton und der Hexenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
Vom Netzwerk:
gemacht und zum Schweigen gebracht werden. »Ich« – begann sie und sah verschlagen in die Runde – »könnte Ihnen ein oder zwei Dinge erzählen – Dinge, über die man besser kein Wort verliert. Was ist mit Ted Mulckers Kuh passiert? Hat sich das Rückgrat gebrochen, als sie gestern morgen in den Graben gefallen ist, sagen sie. Ein schönes Märchen. Und wenn sie sich das Rückgrat gebrochen hat, wie kommt’s dann, daß sie aufgeschlitzt und alles voller Blut war?«
    Eine Kuh? Gestern? Sonderbar. Sofort spitzten alle die Ohren. Mutter Flax mußte es wissen, schließlich arbeitete ihr Sohn für Ted Mulcker. »Jawohl«, bekräftigte Mrs. Flax genüßlich, »bei lebendigem Leibe aufgeschlitzt, und die  Erde war blutdurchtränkt. Das war eine Opfergabe, da kann mir keiner was erzählen.« Die anderen bestürmten sie mit Fragen. Zu spät erinnerte sich Mrs. Flax daran, daß sie Stillschweigen geschworen hatte. Ihr Sohn würde ihr mit Recht den Kopf abreißen, wenn er jemals erfuhr, daß sie sich verplappert hatte. Sie setzte eine tugendhafte Miene auf. »Ich darf nichts sagen, ich hab’s fest versprochen. Aber eines möchte ich doch zu bedenken geben: Wenn sie – ich nenne keine Namen – das getan hat, weiß der Himmel, was dann als nächstes kommt. Wir sind nicht mehr sicher, keiner von uns. Ich fürchte, wir könnten eines Tages alle ermordet in unseren Betten aufwachen und sind kein bißchen klüger als jetzt.« Ihre Zuhörer schauderten. »Nur eines ist klar – sie ist eine Fremde, von Lunnon oder so.«
    »Ganz recht«, pflichtete ihr Mrs. Blaine bei. »Sie wäre nie hergekommen, wenn sie dieses Cottage nicht geerbt hätte. Und wir haben keine Ahnung, wie sie in London gelebt hat. Im Grunde wissen wir überhaupt sehr wenig von ihr, das heißt doch, daß etwas nicht stimmt.«
    »Wie können Sie so etwas sagen – das verstehe ich nicht«, protestierte Mrs. Stillman hinter der Ladentheke.
    »Ich finde, Miss Seeton hat sich wundervoll verhalten.
    Denken Sie nur, wie sie der Polizei geholfen hat – und uns allen, wenn man es genau nimmt –, als es Ärger gab.« Das Grüppchen drehte sich überrascht zu ihr um. Einige wurden unsicher. Mrs. Stillmans Aufgabe war es, die anderen zu bedienen, nicht sie zurechtzuweisen.
    Ermunterung, nicht Widerspruch fördert Skandale.
    »Ärger«, echote Mrs. Blaine. »Genau davon rede ich ja.
    Und wer steckt dahinter? Seit sie hier ist, gibt es nichts als Ärger – eine schreckliche Sache nach der anderen.
    Und«, schloß sie, »keins der Vorkommnisse wirkt sich auf sie aus, das fällt doch auf. Wie erklären Sie das, wenn Sie  schon meinen, daß sonst nichts an ihr eigenartig ist?« Sie schaute triumphierend in die Gesichter der anderen.
    Plötzlich wurden ihre Augen kugelrund, und sie erstarrte.
    Alle drehten sich um und folgten ihrem Blick.
    Mrs. Blaines allzu rege Vorstellungskraft riß sie und ihre Zuhörerschaft von erregendem Klatsch in die Verwirrung der Phantasterei. Vor ihren entsetzten Blicken
    verwandelten sich die bunt angemalten, lächelnden Gartenzwerge in der Glasvitrine inmitten des Ladens zu höhnisch grinsenden Gnomen. Über den Zwergen hing ein aufgerolltes Seil. Mit Seilen konnten Hexen unschädlich gemacht werden, man fesselte sie, um sie auf den Scheiterhaufen zu führen, oder man hängte sie mit solchen Stricken auf. Im Regal stand Tierfutter: Dosen mit Katzenfutter, und auf den Etiketten war je eine schwarze Katze abgebildet – das Symbol der Hexen. Ein paar zusammengebundene Reisigbesen, die in der Ecke standen, zogen Mrs. Blaines Blick – die Blicke aller – unweigerlich auf sich. Sie hielt den Atem an wie alle anderen auch, als die Reisigbesen mit einemmal eine teuflische Bedeutung annahmen – diese Ungetüme fegten nicht Laub und Schmutz vom Hof, sondern schwirrten über den nächtlichen Himmel. Puppen? Nadeln? Schwarze Katzen und Hexenbesen? All das Zaubergerät in ihrem Dorfladen? Hatte man sie so in die Irre geführt? Waren sie, ohne es gemerkt zu haben, schon längst in einem Spinnennetz gefangen? Übten die Leute hinter
    verschlossenen Türen teuflische Praktiken? Täuschten die harmlos erscheinenden Nachbarn ihre Mitmenschen? »Wir hätten schon früher daraufkommen müssen«, erklärte Mrs. Blaine, »nach allem, was in den Zeitungen stand.
    Seht ihr das denn nicht? Das heißt, hier gibt es eine Hexe – sie lebt mitten unter uns.« Plötzlich schien es in dem Laden kälter zu sein. Ein eisiger Schauer überlief alle.

    »Und es hat

Weitere Kostenlose Bücher