Mission Clockwork
Klaras Beleidigung nicht ein. Aber sie stülpte die Lippen über die Zähne und fummelte an den Haarspangen, mit denen sie ihre glatte Blondmähne bändigte. »Ich wette, du würdest jetzt gerne in meinen Kopf schauen.« Sie hob die linke, schmal gezupfte Augenbraue ein kleines Stück an, während sie auf Klara hinunterschaute.
»Was sollte ich da schon Aufregendes vorfinden?« Klara spürte das Zittern in ihrer Stimme. Darüber ärgerte sie sich fast noch mehr, als über das Grinsen auf Lucies Lippen. »Ich fürchte, seit der Grundschule hat sich da nicht viel getan. Schon damals hab ich mir vom Inhalt deiner in trauriger Dunkelheit gehaltenen Hirnwindungen nicht allzu viel versprochen.«
Lucie schob den Kopf vor. Wie schön. Das überhebliche Lachen war wenigstens weg. Ja, Worte waren die Waffen, mit denen Lucie zu schlagen war. Gleich. Gleich würde das Wissen um ihre Niederlage in Aggression umschlagen. Klara machte die Fäuste in ihrem Schoà bereit. Ihr Blick sog sich an Lucies wasserblauen Augen fest. Aus dem Augenwinkel sah sie Rudi und Sandra, die das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachteten. Klara hörte sie tuscheln. Wahrscheinlich schlossen sie Wetten ab, wer als Erste die Nerven verlieren würde. Klara oder Lucie.
»He, Leute, was ist denn mit euch los? Gebt Frieden!« Jonas baute sich vor Klara auf. Sein durchtrainierter Rücken verstellte ihr die Sicht. »Wir sind Popperianer. Die Elite â schon vergessen? ReiÃt euch zusammen, alle beide!«
Klara wäre gerne sauer gewesen, aber sie musste sich eingestehen, dass Jonas recht hatte. Sie wollte die Beste sein. Immer schon. Seit der ersten Klasse war Lucie ihr auf den Fersen. Deshalb war sie stolz darauf, ihr wenigstens verbal überlegen zu sein. Hatte sie wirklich vorgehabt, sich mit ihr zu prügeln? Sie presste die Handballen gegen die Augen und schüttelte den Kopf. Die Wut, die sie eben noch fest im Griff gehabt hatte, war verpufft und dem gewohnten Gefühl von Ãberlegenheit gewichen, das ihr sonst immer Sicherheit gab. Sie drückte sich aus dem Stuhl hoch, schnappte ihre Tasche und warf sich den Riemen über die Schulter.
»Friede, Lucie, okay?« Sie deutete ein Lächeln an und streckte ihr die Rechte entgegen. Das Blitzen in ihren Augen wusste sie perfekt hinter den halb gesenkten Lidern zu verstecken. Und Lucie? Die sah ohnehin knapp an ihrem Gesicht vorbei. Wie immer, wenn sie eine Schlacht verloren hatte.
»Tragen wir unseren Wettstreit auf der Bühne aus.« Weil Lucie zögerte, nickte Klara ihr aufmunternd zu. »Du willst es doch auch schon seit der Grundschule wissen, wer von uns beiden die Bessere ist, oder?«
Endlich schlug Lucie ein.
Klara grinste. »Engel oder Teufel?«
Lucie hob nun doch fragend ihren Blick. Sie musste das Funkeln in Klaras Augen bemerkt haben, denn sie machte einen Schritt zurück, als fürchtete sie einen erneuten Angriff.
Klara genoss den Anflug von Unsicherheit in den Augen ihrer Rivalin. Ihr Grinsen vertiefte sich noch weiter. »Dein Wettbewerbsthema! Damit kennst du dich doch bestens aus. Soviel ich weiÃ, war Lucifer ja einmal einer der mächtigsten Engel, bevor er überheblich wurde ⦠Wetten, er ist dein groÃes Vorbild?«
Sie lieà Lucie stehen und sprintete Jonas hinterher, der bereits auf dem Weg zum Chemiesaal war. Kurz vor der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Ich persönlich tippe auf Teufel. Der passt einfach perfekt zu dir.«
Wie Lucie ihren Vorschlag fand, war schnell klar. Der gestreckte Mittelfinger, den sie Klara hinhielt, als sie kurz nach ihr die Klasse betrat und an ihr vorbei in die letzte Reihe ging, sprach Bände.
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