Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
konnte der König nicht sehen.
»Und darum, dass mein ältester Freund und Lehrer schnell wieder bei mir weilt«, flüsterte Keleb noch, aber da war die Tür längst verschlossen. Ziellos wanderte sein Blick durch den behaglichen Raum und blieb an der Gebäckschale haften. Anisgebäck. Ob es seinem Vater auch so ergangen war mit dem eigenwilligen Magier? Dann griff er nach dem letzten Plätzchen, nicht ohne vorher noch einen verstohlenen Blick zur Tür zu werfen, und schob es sich in den Mund.
Der Aufbruch
D as Mittagsmahl nahm Wenduul mit Bedacht im Kreise einiger der älteren Adepten in einem Gasthaus der Stadt ein. Obwohl die Speisenfolge sein außerordentliches Wohlgefallen fand, besonders die gekochten Früchte, versagte er sich den Genuss und klagte dafür ausgiebig über Leibschmerzen. Etwas säuerlich betrachtete er seine Schüler dabei, Berge der von ihm geschätzten Nachspeise zu verzehren. Wie es die Höflichkeit verlangte, äußerten seine Schützlinge ihr Bedauern über des Meisters Unpässlichkeit, ohne jedoch das Schaufeln zu unterbrechen. Besonders hervor tat sich dabei Tarinth, der zudem mehrmals versuchte, dem Erzmagier eine Schale jener Speise aufzudrängen. Das war insofern ärgerlich, da er, als Vertreter Wenduuls während dessen Abwesenheit, längst in alles eingeweiht war. Aber der gestrenge Erzmagier war nicht ohne Humor und attestierte seinem ältesten Adepten durchaus eine gewisse Raffinesse bei seiner kleinen Rache.
Nach dem Mahl begab sich Wenduul für ein Stündchen zur Ruhe. Wieder einmal erstaunte ihn die Qualität dieses nachmittäglichen Nickerchens, im Vergleich zu dem leichten und wenig erholsamen Schlaf der Nacht. Erfrischt richtete er die wenigen Dinge, die für eine Reise notwendig waren, nahm Feder und Tinte und schrieb seine Anweisungen für Tarinth nieder. Dies nun nahm einige Zeit in Anspruch, denn Wenduul war ein akribischer Mensch und sein Vertrauen in die Verlässlichkeit Tarinths endlich. Den Rest des Tages verbrachte er auf seinem Balkon und gleich mehrmals schickte er seine Gedanken aus, auf der Suche nach dem Kind. Aber mehr als ein kaum wahrnehmbares Echo vernahm er nicht, und seine Unruhe wuchs. Schließlich gingen die Monde auf und gossen ihr Licht auf die Stadt und da hielt es ihn nicht länger.
Schon mit einem Fuß auf der Treppe, kehrte er noch einmal um, ging zu einem schmalen Eckschrank und öffnete diesen. Heraus nahm er einen knorrigen Stab, der ihn um Haupteslänge überragte, ansonsten aber nicht viel hermachte.
»Und du kommst mit mir, wenn ich mich schon ein letztes Mal auf Wanderschaft begebe!«, sprach er und hängte sein Bündel an ein kurzes Astende im oberen Viertel des Wanderstocks.
»Und ich hatte schon gehofft, du hättest mich vergessen«, antwortete der Stab und das schien den Magier nicht weiter zu überraschen.
»Wie könnte ich dich vergessen?«
»Die letzten dreißig Jahre hast du es!«
»Fast. Es waren keine dreißig. Höre ich da einen Vorwurf?«, fragte der Magier, erhielt jedoch keine Antwort und nach einer Weile zuckte er die knochigen Schultern, trat wieder zur Treppe, machte jedoch erneut Halt und schüttelte unwirsch den Kopf, dass die langen Strähnen flogen.
»Es wird noch genug marschiert, als dass ich mir die Treppe antun müsste«, murmelte er rechtfertigend und begab sich dann in die Mitte seines Wohnraumes, wo eine metallene Scheibe, deren Durchmesser wohl eine gute Manneslänge maß, mit vielen Ornamenten und Prägungen verziert, in den Boden eingelassen war. Es waren elfische Zeichen und Wenduul war der Elbsprache mächtig. Aber er kannte die nötigen Worte auch so. Lange Zeit vor diesem Tag hatte er sie verinnerlicht.
»Meinst du, wir verlassen den Turm heute noch?«
»Du bist ziemlich geschwätzig für ein Stück Holz!«
»Und du siehst grässlich aus. Die Erde ruft nach deinen Knochen und ihre Bewohner warten auf dein Fleisch.«
»Träum nur weiter, Baumgeist. Aber tu es leise.«
Flüsternd sprach er ein Wort der Macht und tauchte nur einen Lidschlag später im Keller, unter der Bibliothek des Magiersanktums, wieder auf. Jene Scheibe war ein Elfenportal und ein Geschenk der Herrscherin dieses sagenhaften Volkes, Arissa Sturmreiterin; und wenn auch nur wenige unter den Elfen diese hohe Fertigkeit besaßen, so wusste er doch um die Existenz mindestens eines weiteren Portals in Thule, wenn auch nicht genau wo und welche Verbindung es wahrte, denn die Elfen waren, selbst gegenüber jenen, denen sie vertrauten,
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