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Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Titel: Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick R.Ullrich
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begeben, um mit wildfremden Leuten, selbst unerkannt, einen Krug zu leeren und Anteil zu nehmen am Schicksal der einfachen Menschen.
    Angelangt am ersten Ringwall, hielt er nach dem Torwächter Ausschau. Es dauerte eine Weile, bis der Wachhabende aus seinem Unterstand in einem der flankierenden Türme kam. Träge und grußlos schleppte sich der Mann an dem vermeintlich unwichtigen Bader vorbei, der ihn da in seiner dienstlichen Ruhe störte; und Wenduul war schon drauf und dran, ein paar passende Worte zu sagen, bis ihm seine Wandlung wieder einfiel. So hielt er die Lippen geschlossen, schluckte eine bissige Bemerkung hinunter und begnügte sich damit, einen bösen Blick in Richtung der nachlässigen Torwache abzuschießen. Dann war die kleine Pforte im für einen einzelnen Mann kaum zu bewegenden, riesigen Stadttor geöffnet, und Wenduul musste sich ducken, als er hindurch trat.
    »Ihr tätet besser daran, ein wenig später gemeinsam mit den Krämern zu reisen. Die Wegehoheit des Königs verliert mit der Dunkelheit an Wirkung«, orakelte der Soldat mürrisch, derweil er zum mittleren Tor schlurfte. Umständlich öffnete er auch dort die Pforte, vorwurfsvolle Blicke auf den schweigsamen Wenduul werfend.
    Hör lieber auf den Mann, eitler Narr!
    Wortlos passierte der Magier auch den zweiten Ring. Als der Soldat keine Anstalten machte auch den letzten Durchgang zu öffnen, fragte er jedoch giftig: »Erschöpft?« »Das äußere Tor ist bemannt«, knurrte der Wachmann und so war es auch. Der dortige Torwächter sah Wenduul bereits entgegen. Es war ein jüngerer, munterer Mann, der sich beflissen zeigte, und er wünschte höflich eine gute Reise. Das gab dem alten Magier die Möglichkeit, dem sträflich nachlässigen ersten Torwächter eine Lektion zu erteilen; und Wenduul ließ sich eine solche Gelegenheit grundsätzlich nicht entgehen. Sorgsam stellte er sich so, dass er gut zu sehen war, und griff mit übertriebener Geste nach seiner Börse. Nunmehr der Aufmerksamkeit des ersten Torwächters sicher, zog er ein unangemessen großes Geldstück hervor, ließ es im Mondlicht funkeln und warf es dem jungen Wachmann in salopper Geste zu, der es ungläubig fing und nach einer Bissprobe dankbar und unter Bücklingen verschwinden ließ. Dann trat er, nachdem er sich einen zufriedenen Blick auf das entgeisterte Gesicht des ersten Torwächters gegönnt hatte, grinsend durch die letzte Pforte; und die mondbeschienene Straße in Richtung Borkenland lag vor ihm.
    Du hast wirklich einen seltsamen Humor. Ich glaube, ich möchte lieber zurück in den Schrank!
    Ich lasse es dich wissen, sobald mich deine Meinung interessiert.
    Wieder erweiterte er prüfend seine Magiersinne, tastete sich sorgsam durch den Äther und fühlte nach der Präsenz des Kindes. Wie er erwartet hatte, konnte er es nicht spüren, und dennoch stieg eine leise Enttäuschung in ihm hoch. Die Stadt mit ihren vielen Menschen war einfach noch zu nahe. All die träumenden Seelen, ihre Wünsche und Hoffnungen, Ängste und Sorgen verwischten die feinen Spuren, nach denen es ihn verlangte. Tief füllte er seine Lungen mit der nächtlichen Luft, dann begann er auszuschreiten. Angenehm überrascht stellte er fest, dass seinen neunzigjährigen Beinen das Wandern gut tat. Einer spontanen Eingebung folgend, drehte er sich nach ein paar Dutzend Schritten um und sah zur mächtigen, alles beherrschenden Kulisse der Schlossburg, deren Sandstein sanft im Mondlicht leuchtete. Alle Fenster waren dunkel, dunkel auch die Zugänge zur Burganlage. Aber weit oben auf der Plattform der langen Wacht, dem einzigen Bau der Hauptstadt, die seinen Turm um ein Weniges überragte, bewegte sich ein kleines Licht auf und ab und Wenduul wusste, wer ihm dort zum Abschied winkte. Guter Keleb, dachte er. Ein feiner Mensch und König. Aber zu empfindsam. Viel zu viel Gefühl! So dachte Wenduul Geistgreifer und ließ gleichzeitig, mit einem Gedanken, dem König zum Gefallen, eine Sternschnuppe niedergehen. Blitzend fuhr sie über das Firmament, beschrieb einen Halbbogen über Thule und verschwand hinter der Seelinie.
    Wie rührend.
    Ertappt griff er den Stab fester, fasste einen unsichtbaren Punkt am dunklen Horizont ins Auge und marschierte endgültig los.

Nur ein Kind
    M ors der Köhler sprach nicht viel. Wenn es seine schwere Arbeit zuließ, war er im Wald unterwegs und ging seine Fallen ab, und weder die Kohle noch die toten Tiere waren gute Gesprächspartner; und so war er, selbst wenn es ihn nach

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