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Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Titel: Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick R.Ullrich
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nur selten bereit, alle ihre Geheimnisse zu offenbaren. Wahrscheinlich war, dass jenes genauso wunderbare wie wundersame Volk etliche dieser Verbindungen besaß, was eine Erklärung wäre für ihr schnelles und überraschendes Auftauchen, das schon öfters an mehreren Orten fast gleichzeitig beobachtet wurde. In Thule selbst jedoch hatten sie sich – mit Ausnahme der periodischen Besuche der Legatin – seit langer Zeit nicht mehr gezeigt.
    Wie immer, wenn er an die Elfen dachte, überkam ihn ein wehmütiges Gefühl, das er auch dieses Mal mit Disziplin zur Seite schob, denn jene Sentimentalität pflegte ihn zuverlässig in Grübelei zu führen, entlang den Erinnerungen seines langen Lebens. Dort in dunkler Vergangenheit aber warteten Dämonen auf ihn und hatten die ihn erst in ihren Fängen, war ein Entkommen schwierig. Das waren die Stunden, in denen dunkle Wolken um die Spitze des Magiersanctums, Wenduuls Turm, waberten, Blitze an heiteren Tagen mit Gewittern drohten, in denen nie ein Tropfen Regen fiel; und selbst Krähen und Möwen mieden dann die Nähe zu dem schlanken, hohen Bauwerk, das, aus dem goldfarbenen Sandstein Thules erbaut, jäh merkwürdig grau und düster erschien.
    Die Einwohner Thules liefen dann mit gesenkten Köpfen einher und vermieden es, einen Blick auf dieses Unheil verkündende Bild zu riskieren, aus dem regelmäßig und wie aus weiter Ferne Donnergrollen erklang und allenfalls flüsternd, und nur mit den Vertrautesten, sprach man von Wenduuls Kummer , von dem niemand wusste, was genau er war, noch, aus was er sich nährte. Selbst König, Legat und Kanzler ließen sich in diesen – Araas sei Dank – seltenen Zeiten nicht sehen, denn irgendwie wusste ein jeder, dass hier ein Geheimnis verborgen war, an das man besser nicht rührte, wollte man größeres Unglück vermeiden. Nach zwei, manchmal drei und nur selten mehr Stunden verschwanden Wolken und Donner dann stets, und der Erzmagier zeigte sich in auffallend leutseliger Weise unter den Bürgern, die ihn dann mit jener Erleichterung begrüßten, die Menschen empfinden, wenn sie ein Unheil an sich vorübergezogen wähnen.
    So sollte es an diesem Tag jedoch nicht kommen. Für einen Moment schloss Wenduul seine Augen, fokussierte mit seinem inneren Blick sein Ziel, glättete die kräuselnden Bewegungen im weiten Meer seiner Erinnerungen, besänftigte die Wogen, bevor sie sich zu einem Sturm auswachsen konnten, und gewann die Oberhand. Zufrieden nickte er sich selbst zu in der Dunkelheit des Kellergewölbes, ließ dann ein kleines Feuer auf seiner Handfläche entstehen, von dem keine Wärme, jedoch ein ruhiges, grünes Licht ausging.
    »Immer noch die alte Geschichte?«
    »Kümmere dich um deine Geschichten, überlass mir die meinen!«
    »Sperrtest du mich deshalb weg?«
    Ein paar Worte murmelnd, schloss Wenduul wiederum die Augen, ignorierte die Frage und stellte sich eine passende Reisegestalt vor. Als er dann an sich selbst herabsah, war er zufrieden. Er wies nun alle Merkmale eines reisenden Baders auf und würde jede sorglose Prüfung mit Leichtigkeit bestehen.
    »Wirkt eine Wandlung und sieht hinterher noch furchtbarer aus als zuvor.«
    »Ruhe, Diener!«
    »Nicht mehr lange, alter Mann. Nicht mehr lange. Dein Tod ist nahe und damit meine Freiheit.«
    »Sprich leise! Es reicht, wenn ich dein Geschwätz hören muss.«
    Ja, Meister , wisperte es spöttisch in seinem Kopf, denn sein Begleiter bediente sich nun der geistigen Verbindung, die ihnen bei Berührung zur Verfügung stand. Rasch sah Wenduul noch in den großen Schlafsaal und lauschte einen Moment dem ruhigen Atemfluss seiner Schüler. Lächelnd, nicht ohne Bedauern, verließ er das Magiersanctum und die ihm Anvertrauten, und schritt dem nächsten Stadttor zu.
    Das nächtliche Thule war wunderschön, ein kurzer Gewitterregen ließ das Kopfsteinpflaster glänzen, das Licht der Tranlampen brach sich hundertfach darin. Die Menschen hatten Türen und Fenster geöffnet, um die rein gewaschene Luft einzulassen. Allerlei Volk war noch unterwegs und strömte hin zu und weg von den Schenken der Stadt, aus denen ihm muntere Gesprächsfetzen, Gelächter und Gesang entgegen quollen. Denn es war eine gute Zeit für die Bewohner Thules unter ihrem König Keleb und es herrschte kein Mangel an den Dingen, die das Leben lebenswert machten. Und so fiel dem Magier der Abschied schwerer, als er gehofft hatte. Wie gern hätte er – und das war sonst nicht seine Art – sich nun in ein Wirtshaus

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