Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
Gesprächen verlangt hätte, darin ungeübt. Kehrte er dann, über und über mit Fellen behangen, zurück, sah er selber einem aufrecht tappenden Bären nicht unähnlich und erwiderte das Nicken, mit dem die Dörfler den Schweigsamen grüßten, allenfalls mit einem Brummen. Nur einmal hatte die alte Derngard versucht, ein Gespräch zu beginnen. »Was gab´s im Wald?«, erkundigte sie sich freundlich. »Bäume«, antwortete Mors im Vorübergehen und seitdem beschränkte sich auch die Baderin auf ein Nicken. Er war niemandem Feind und nur wenigen Freund, aber seine hünenhafte Statur, die die ihr innewohnende Stärke ahnen ließ, sicherte ihm Respekt. Doch mochten auch seine Hände schwarz von der Arbeit, groß, rau und rissig von den Tagen und Nächten in der Wildnis sein, sein Herz war golden und seine Augen leuchteten, wenn er in unbeobachteten Momenten das Kind betrachtete.
Ariane hatte ihm Brotzeit gebracht und die Kleine an der Hand mitgeführt. Er war dabei, Zuglöcher in den Kohlenmeiler zu stechen, um die Temperatur des Schwelbrandes anzufachen. Nur so konnte brauchbare Holzkohle entstehen, die das Bisschen einbringen würde, welches sie zum Leben brauchten. Auf den ersten Blick sah der Meiler wie ein bemooster Hügel aus. Erst beim näheren Hinsehen zeigte er eine Form von solcher Gleichmäßigkeit, wie die Natur sie nur selten entstehen lässt. Außerdem qualmte es stetig aus dem Schlot in der Mitte.
Mors bedeutete den beiden, das Essen zu richten und war gerade rechtzeitig fertig, denn das Mädchen sah ihn schon vorwurfsvoll an und eine steile Falte bildete sich dabei auf ihrer Stirn. Sie mochte es nicht, wenn er sie und Ariane warten ließ, und sie mochte es auch nicht, wenn er allzu hastig sein Mahl verschlang, um wieder an seine Arbeit zu können. Was aber Ariane in all den Jahren nicht gelungen war, gelang ihr auf Anhieb. Da saßen sie also auf der Decke, die Ariane mitgebracht hatte und löffelten die dicke Getreidesuppe in der, dank der Fallenstellerei, auch das Fleisch kleiner Wildtiere schwamm, und Mors achtete sehr darauf, seinen Löffel nicht öfter zum Mund zu führen als das Kind den seinen.
»Was hast du dem Meier gesagt?«, fragte Ariane zwischen zwei Mundvoll, denn sie hatte nicht aufgehört zu drängen und schließlich hatte Mors den Ortsmeier am Morgen, noch vor der Arbeit, in dessen Haus aufgesucht. Mors sah kurz auf und in den Himmel, als denke er angestrengt nach, schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht und sprach dann:
»Na, dass sie bei uns lebt und ich sie nicht in den Wald bringe.« Nickte noch einmal zu sich selbst und fuhr dann fort zu essen.
»Mors ...«
»Hmm ?«
»Na, was hat er gesagt?«
»Nichts«, sagte Mors.
»Der Meier hat nichts gesagt?«
»Nein.«
Ariane sah zweifelnd zwischen dem Kind und ihrem Mann hin und her.
»Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Er hat dich angehört und nichts dazu zu sagen gehabt?«
»Nichts«, bestätigte Mors erneut.
»Das ist ja merkwürdig. Bei mir ist er nicht fertig geworden mit seinen Reden.«
Dann zuckte sie die Schultern und aß auch weiter, bis sie das vergnügte Gesicht des Kindes sah.
»Wer kitzelt dir denn grad den Bauch?«, fragte sie, erhielt aber als Antwort nur ein Kopfschütteln. »Also, hier stimmt doch was nicht«, argwöhnte sie. Sicher, Mors war ein Riese von einem Mann und man hatte ihn lieber zum Freund als zum Feind, aber dass der großmäulige und wichtigtuerische Meier so beeindruckt gewesen sein sollte, dass er kein Wort herausbrachte, das erschien Ariane dann doch unglaublich.
»Mors«, sagte sie gedehnt. »Wie lange warst du in der Mühle?«
»Nicht lang.«
»Wie lange?«, bohrte sie weiter, während das Kind aufmerksam sowohl ihre Fragen als auch die einsilbigen Antworten des Köhlers verfolgte.
»Eher kurz«, sagte der gerade und schob sich einen Brocken Brot in den Mund, wohl in der Hoffnung, dem Verhör damit zumindest eine Weile entgehen zu können. Aber Ariane wusste bereits genug und stellte treffsicher ihre eigenen Vermutungen an.
»Du bist zu ihm, hast dein Sätzlein aufgesagt und bist gegangen, bevor er überhaupt antworten konnte, stimmt´s?«
»Kann schon sein«, brummte Mors mit vollem Mund und zwinkerte dem Kind zu. Verschmitzt sah er sie an und die Situation, wie Mors den Müller einfach hatte stehen lassen, stieg so deutlich vor ihrem inneren Auge auf, dass sie unweigerlich lachen musste.
»Und du hast das Ganze beobachtet, was?«, fragte sie das Mädchen. Eifrig nickte die
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