Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
Kleine und plapperte nun los:
»Ja, und der Müller war mächtig böse und hat einen ganz roten Kopf bekommen, und einen roten Hals auch, und die Backen hat er aufgeblasen, aber ich glaube, er hatte einfach Angst und Mors hat gar nicht hingesehen und dann ist der dicke Müller noch mehr sauer geworden, aber er hat keinen Ton raus gebracht und dann musste ich daran denken, wie du gesagt hast, dass der Müller ein doofer Kerl ist und das war alles sehr lustig.«
Atemlos hielt die Kleine inne und sah Ariane übergangslos ernst an.
»Bist du jetzt böse auf uns?«
»Nein, aber ich sollte«, antwortete Ariane und versuchte vergeblich streng zu schauen.
»Es wird unsere Lage nicht gerade verbessern.«
»Es liegt alles an mir, nicht wahr?«, hörte sie das Mädchen fragen und schüttelte stumm den Kopf.
»Doch. Tut es! Es liegt an den Träumen«, beharrte die Kleine weiter und Hilfe suchend sah Ariane Mors an, aber der saugte an einem Holzsplitter in seinem Daumen und das schien seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. »Und an dem, was mit dem Borkenkeiler geschehen ist.«
Natürlich hatte Ariane Mors nach seiner Rückkehr davon erzählt. Stumm hatte er am Tisch der niedrigen Koch- und Wohnstube gesessen, zugehört und geschwiegen. Dabei vermied er es, sowohl sie als auch das Mädchen anzusehen, stierte Löcher in die Wand, aß, was sie ihm hinstellte, trank, was sie ihm einschenkte, und sagte nach einer Ewigkeit einfach:
»Das ist ja noch mal gut gegangen.«
»Das ist ja noch mal gut gegangen? Das ist ja noch mal gut gegangen? Ja, willst du denn nicht verstehen, Mann?«, war Ariane aufgefahren. »Sie macht ihnen Angst und sie werden sich an ihr rächen dafür und du bist nicht immer da, sie zu schützen.«
Stumm hatte er sie da angesehen und seine Augen waren ganz schwarz geworden. Doch seitdem war Mors nicht mehr im Wald gewesen und das Kind ließ er nicht mehr aus den Augen. Verließ es die Hütte zum Spiel, stand er am einzigen Fenster, war es von dort aus nicht zu sehen, stand er im Freien und schnitzte an einem Stück Holz herum, aus dem nie etwas werden wollte. Musste er aber nach dem Kohlenmeiler schauen, pflegte er vorher einen langen Blick auf Ariane zu werfen, so lange, bis diese nickte und ebenso nickte er nach seiner eiligen Rückkehr, um dann seine stille Wache wieder aufzunehmen. Nachts lag das Mädchen zwischen ihnen, und wenn Ariane einmal aufwachte, konnte sie Mors sehen, wie er, auf den Ellenbogen gestützt, im Schein einer Kerze das Gesicht der Kleinen betrachtete. Schlief sie ruhig, lächelte er Ariane an, löschte das Licht und über den zarten Körper in ihrer Mitte hinweg berührten sich ihre Hände. War sie aber unruhig und schien zu träumen, weckte er sie sanft, und wenn sie sich dann an nichts erinnern konnte, schien er erleichtert und hieß sie weiterschlafen.
»Ich möchte überhaupt nicht mehr träumen!«, hörte sie die zornige Stimme des Mädchens und das brachte Ariane ins Hier und Jetzt zurück. Darauf wusste sie nichts zu sagen und so drückte sie die Kleine einfach an sich, als könnte ihre Nähe allein dafür sorgen, dass nicht Schlimmes mehr geschehe. Mors wischte mit einem Stück Brot scheinbar ungerührt den Suppentopf sauber, wischte die Hände am Kittel ab und stand auf.
»Sprich einfach nicht darüber«, sagte er und stapfte wieder auf den Meiler.
»Mors hat recht«, stimmte Ariane zu. »Erzähl niemandem, mehr von den Träumen.«
»Aber euch kann ich es doch sagen, oder?«, fragte das Kind.
»Sicher«, antwortete Ariane tonlos. »Uns kannst du es sagen.«
Zwei Tage später war Backtag in Njörndaal und das war stets ein Ereignis, eines, auf das sich jedermann freute. Kam doch fast das ganze Dorf und auch die Bewohner der verstreuten Aussiedlerhöfe zusammen und immer gab es Neuigkeiten auszutauschen. Das Backhaus Njörndaals bestand im Wesentlichen aus einem großen Ofen, dessen gemauerte Wände an drei Seiten auch gleichzeitig die Außenwände bildeten. Ein Vordach mit Seiten aus Reisig und Schilf, das jedes Jahr erneuert wurde, bot Schutz bei schlechtem Wetter. Der ganze Ort hatte sich am Bau beteiligt, doch wie selbstverständlich wurde das Backhaus in unmittelbarer Nähe der Mühle gebaut, wo der Müller und Ortsmeier seither eine Art Hausrecht ausübte. Weil die Leute ihr Korn beim Müller mahlen ließen, erschien ihnen der gewählte Bauplatz sinnvoll.
Auch Ariane nahm den Backtag gerne wahr, denn das zweimal Gebackene war erstens schmackhafter
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