Mit 15 wachsen einem Flügel
Britta und Ulrike umringten Janos und erzählten ihm von ihrer Idee, für Frau Künzel einen Tanzabend zu veranstalten. Janos klatschte in die Hände.
„Kinder, hört mal her. Ich habe da eben von eurem Plan gehört und finde ihn ganz toll. Wir müssen in Ruhe darüber sprechen. Heute und morgen habe ich keine Zeit, ich muß hier unterrichten und anschließend gleich ins Theater. Aber Samstag vormittag hätte ich Zeit. Wie steht es da mit euch?“ Die Mädchen stimmten dem Vorschlag eifrig zu.
„Gut. Dann treffen wir uns Samstag vormittag um zehn Uhr hier im Aufenthaltsraum und planen die Aufführung. Ich glaube, ich kann euch ein paar gute Vorschläge machen.“
„Und wirst du die Choreographie übernehmen?“ fragte Katja gespannt.
„Selbstverständlich. So habe ich endlich mal Gelegenheit, mich bei meiner Lehrerin zu bedanken. Nur selber tanzen werde ich nicht, es soll euer Abend sein. Überlegt schon mal, wo wir einen geeigneten Saal mit einer Bühne herbekommen.“ Elfie Krüger erschien auf der Bildfläche, ihr folgte ein junger Mann mit dünnem Backenbart und Brille.
„Das ist Herr Grosse von der ,Abendpost 1 “, stellte Elfie vor.
„Er will etwas über den Unfall von Frau Künzel schreiben und über unseren Versuch, die Schule ohne Frau Künzel weiterzuführen. Er wird sich ein bißchen mit euch unterhalten.“
Herr Grosse begrüßte Janos und überschüttete ihn sofort mit Fragen.
„Sogar die Zeitungen schreiben über uns“, flüsterte Inga, „Kinder, wenn wir so weitermachen, wird die Schule bei Frau Künzels Rückkehr größer und bekannter sein als je zuvor!“
„Nun, bis dahin liegt noch ein schönes Stück Arbeit vor uns. Ich gehe jetzt zu meiner Kinder-Turnstunde. Und deine Schützlinge warten auch schon, Petra“, mahnte Ulrike. Sie und Inga standen bereits in der Berufsausbildung zur Tänzerin und hatten deshalb die meisten Stunden übernommen. Vor allem den Vormittagsunterricht, wenn die zukünftigen Bühnen-Tänzerinnen und -Tänzer die Räume der Schule bevölkerten.
Rico, ein schlanker älterer Herr mit grauen Schläfen, kam mit einem Privatschüler — einem aufsteigenden Schlager-Star — aus einem der Unterrichtsräume. Sein unnatürlich sonnengebräuntes Gesicht strahlte Zuversicht aus. Rico erspähte mit sicherem Instinkt den Zeitungsmann und stürzte sich auf ihn, um ihm von seiner großmütigen Hilfe für die Künzel-Schule, von seinen Fähigkeiten als Lehrer künftiger Show-Größen und vor allem von seinen einstigen Bühnenerfolgen vorzuschwärmen. Das war für die meisten Mädchen das Signal, sich schleunigst zu verdrücken.
Petra stand bereits in der Tür zum Ballettsaal, wo die Sechs- und Siebenjährigen auf sie warteten.
„Gehst du nach Hause?“ fragte sie Katja.
Katja schüttelte den Kopf.
„Der kleine Unterrichtsraum ist jetzt frei. Ich werde noch ein bißchen trainieren.“
Petra verzog das Gesicht.
„Janos’ goldene Worte sind also auf fruchtbaren Boden gefallen. Na denn — viel Spaß!“
Erst zum Abendbrot kam Katja nach Hause. Als sie die Haustür aufschloß, öffnete sich im Nachbarhaus ein Fenster.
„Sag bloß, du hast den ganzen Nachmittag in der blöden Ballettschule gehockt!“ rief Klaus zu ihr herüber.
„Was dagegen?“
„Ich — ich hatte dich zum Tee einladen wollen. Luischen hat frische Krapfen gebacken.“
„Konnte ich doch nicht wissen, oder?“
„Nee.“
„Noch welche übrig?“
„Was?“
„Krapfen.“
„Ach so. Ja.“
„Dann kann ich doch bei dir nach dem Abendbrot meine Hausaufgaben machen. Und wir spielen eine Runde.“
„Okay — bis dann.“
Verdammt! dachte Katja. Ich habe ganz vergessen, daß ich Samstag mit Klaus verabredet bin. Jetzt muß ich ihm schonend beibringen, daß wir die Besprechung für den Tanzabend haben. Aber Frau Künzel geht schließlich vor. Wenn Janos schon seine Zeit opfert.
Was ist bloß mit Katja los?
Auf der Besprechung für den geplanten Tanzabend ging es hoch her. Jedes der Mädchen hatte sich eine eigene Vorstellung gemacht von dem, was aufgeführt werden sollte — und jede hoffte insgeheim auf eine Hauptrolle. So stritt man hin und her. Sollte ein ganzes Ballett aufgeführt werden? Oder lieber einzelne Nummern, dem unterschiedlichen Können der verschiedenen Gruppen angepaßt? Sollten nur die besten Schülerinnen und Schüler auftreten oder möglichst viele?
Janos Thöldy hatte einen jungen Komponisten mitgebracht, der auch an der Staatsoper arbeitete. Die beiden
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