Mit 15 wachsen einem Flügel
zeigst einen tollen spanischen Tanz. Na, wie gefällt dir das?“
Katja konnte nur stumm und hingerissen nicken. Die anderen spürten leisen Neid in sich aufsteigen und hofften inständig, daß Janos ähnliche Nummern für sie parat habe. Und sie wurden nicht enttäuscht. Während der nächsten beiden Stunden entwarf Janos gemeinsam mit den Mädchen ein Programm, in dem jede zeigen konnte, was in ihr steckte. Den jüngeren aus den Kinderturngruppen und den ganz kleinen Ballettratten fielen Statistenrollen zu, von denen es eine Menge geben würde.
Peter Olzhausen setzte sich ans Klavier und deutete mit ein paar Takten die in Frage kommenden Musikstücke an. Katja fühlte sich wie im siebten Himmel, zum erstenmal in ihrem Leben wünschte sie sich, an einem richtigen Theater zu sein, Tag für Tag diese Atmosphäre um sich zu haben, Musik, den Geruch des Ballettsaals...
*
„Was ’n mit dir los?“ fragte Celia spöttisch, als Katja beim Abendbrot gedankenverloren Salz statt auf die Spiegeleier in ihre Kakaotasse streute.
„Hä?“ machte Katja. Sie hatte gerade in Gedanken ein hinreißendes Pas de deux mit Janos getanzt, Schwanensee, letzter Akt.
Die Zwillinge warteten atemlos vor Spannung darauf, daß Katja von ihrem Kakao trinken würde. Aber wenn sie erwartet hatten, Katja würde sich vor Ekel schütteln, so wurden sie enttäuscht. Katja trank die Tasse leer, ohne eine Miene zu verziehen. Sie bemerkte nicht einmal, daß etwas nicht stimmte. Unter dem Tisch begannen ihre Füße, den Takt eines Flamencos zu klopfen.
Mami verzog spöttisch den Mund.
„Sag mal, das wird doch hoffentlich nicht schlimmer mit dir?“
„Wie bitte?“
„Ach nichts“, Mami schmunzelte.
„Darf ich schon mal in mein Zimmer gehen? Ich muß noch Hausaufgaben machen.“
„Heute, am Samstag? Na schön, geh. Celia kann mir helfen, den Tisch abzudecken.“
Jamtatatatatam-Tatatam-Tatatata... Katja tänzelte nach draußen. Markus und Fips sahen ihr mit offenen Mündern nach.
Draußen stieß sie mit Papi zusammen, der gerade das Haus betrat. Sie gab ihm einen flüchtigen Kuß und tanzte an ihm vorbei. Papi sah ihr kopfschüttelnd nach. Katja hatte ihn kaum wahrgenommen. Sie ging in ihr Zimmer, breitete ihre Schulbücher und Hefte vor sich aus und versank sofort wieder in tiefe Träume. Der englische Hausaufsatz, das Kapitel Geographie, das Hölderlin-Gedicht, die Matheaufgaben, die seit drei Tagen darauf warteten, erledigt zu werden, schwammen auf regenbogenbunten Wolken davon und lösten sich in
Nichts auf. Die Luft war voller Musik, voller kreisender, schwingender Bewegung. Und aus diesen flimmernden Kreisen lösten sich zwei Punkte, kamen näher, schwebten heran und wurden größer: graublau, umkränzt von langen Wimpern. Janos’ Augen.
Einem plötzlichen Einfall folgend, sprang Katja auf und begann, in ihrem Bücherschrank zu wühlen. Irgendwo mußte es doch sein! Ja, richtig, dort hinter dem Opernführer! Das Programm des Ballettabends, den sie im vergangenen Jahr mit Petra und ihrer Mutter besucht hatte. Katja zog es vorsichtig wie einen kostbaren Schatz heraus und öffnete es. Da — gleich auf der zweiten Seite. Ein großes Foto von Janos Thöldy! Er sah ihr in die Augen und lachte.
Katja holte ihre Papierschere aus dem Schreibtisch-Schubfach und schnitt das Foto aus. Wohin damit? Wenn sie es sich neben das Bett an die Wand hing, würden die anderen nur blöde Bemerkungen machen. Als Lesezeichen ins Buch — ja, das ging, es fiel nicht weiter auf, und sie konnte es jederzeit anschauen. Janos! Katja strich vorsichtig mit der Fingerspitze über das Gesicht auf dem Foto.
Auf dem Flur vor ihrer Tür spielten die Zwillinge lautstark Düsenjäger und stritten sich, ob es „Flugfeld“ oder „Flugplatz“ heißen müsse.
„Flugfeld heißt’s doch nur, wenn die Flugzeuge auf dem Acker oder auf ’ner Wiese landen müssen“, belehrte Markus den Bruder.
„Und Flugplatz?“
„Wenn’s ein richtiger Platz aus Teer ist — so wie unsere Straße.“
„So —und was ist dann ein Flughafen?“ fragte Celia lauernd.
„Für die Flugzeuge, die aus Versehen im Wasser gelandet sind. Ist doch klar!“ Markus war nicht aus der Fassung zu bringen. Mit lautem Geheul kündigte er den Start eines Düsenjägers an, dann wurde es einen Augenblick still. Man hörte ihn mit Fips flüstern, es raschelte und prustete, dann folgte ein neuer Start und gleich darauf ein ohrenbetäubender Knall.
„Was war denn das?“ schrie Mami
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