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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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zurück.
    »Vielleicht
wurdest du von den Ameisen gebissen und dich juckt im übertragenen Sinn die Möglichkeit
eines neuen Lebens«, gab Caro zu bedenken. »Ich finde, das Bild ist ein gutes Zeichen.
Die Ameisen symbolisieren Veränderung, und Wasser ist das Symbol für deinen Wunsch
nach Sex.«
    »Damit ist
es in letzter Zeit leider nicht weit her«, sagte Ulrike.
    »Freu dich,
ich bin jedenfalls heilfroh darüber, keinen zu haben«, erwiderte Caro trocken. »Tomaten
pflanzen, Kräuter ernten, das ›Ahrstübchen‹ voranbringen, das ist das Glück der
späten Jahre. Männer sind einfach zu anstrengend. Hast du sie erst einmal in dein
Bett gelassen, stehen sie mit diesem Dackelblick bald jeden Abend vor deiner Tür,
das wissen wir doch. Und auf einmal wäschst du ihre schmutzigen Socken und räumst
hinter ihnen her, egal, wie alt du bist.« Mit einer knappen Bewegung zog sie ihren
Pferdeschwanz fest, das Gummi hatte sich gelockert. Zu ihrem grünen Batikrock trug
sie Turnschuhe, als Oberteil ein ärmelloses T-Shirt.
    Es war absurd,
fand Bruni. Da saß die attraktivste Frau von ihnen allen vor ihr, und sie hatte
keine Lust mehr auf Sex. Ein Tribut an die Wechseljahre und sie war sogar zufrieden
damit. Und was war mit ihr selbst? In ihrem Innersten fühlte es sich so an, als
würde sie mit 49 noch einmal Frühlingsgefühle erleben, jedenfalls dann, wenn sie
an Wang San dachte. Sie, die wie immer so auch heute einen Sommerrolli und Schlabberhosen
trug, in denen sie sich am wohlsten fühlte, hatte bis heute nicht gelernt, über
ihren Schatten zu springen und ihre körperlichen Reize einzusetzen. Vielleicht sollte
sie bald einmal wieder nach Köln fahren und ein Parfum kaufen, das funktionierte
als Lockmittel angeblich auch. Zumindest war es billiger als ein edles, verführerisches
Kleidungsstück mit Sexappeal, und sie konnte es direkt auf den Rollkragen sprühen.
Bruni dachte an ihren neuen Rock und die Bluse, die für ihre Verhältnisse ein Vermögen
gekostet hatten und jetzt in ihrem Schrank ein stiefmütterliches Dasein fristeten,
und ihr wurde ganz schlecht bei dem Gedanken daran.
    »Warst du
mit Wang San eigentlich inzwischen mal wieder beim Line Dance?«, fragte sie wie
nebenbei und schichtete die Manuskriptblätter so aufeinander, dass die Kanten exakt
miteinander abschlossen.
    » Ich war beim Line Dance, Wang San nicht.«
    »Nein? Ich
glaubte, er sei wieder dabei?«
    Caro schüttelte
den Kopf und legte sich den Pferdeschwanz vorn über die Schulter, was ihr etwas
Mädchenhaftes gab. »Er hat immer noch keine Lust, und ich denke, er wird bald ganz
mit dem Tanzen aufhören.«
    »Hm.« Bruni
fiel auf, dass Caros Hände Pigmentflecken aufwiesen, sie bemerkte sie heute zum
ersten Mal. Altersflecken, dachte sie und spürte einen leichten Triumph. Keine bleibt
verschont.
    »Ihm ist
nicht mehr nach Line Dance zumute, bei allem, was ihm und seiner Familie widerfahren
ist«, sagte Caro.
    »Ich kann’s
verstehen«, erwiderte Bruni. »Vor allem, nachdem nun auch noch ihr Hauptbrötchengeber
gekündigt hat. Ich fürchte, auf Wang San und seine Familie kommen schwere Zeiten
zu.« Sie sog tief die Luft durch ihre Nase. Eine ganze Weile sprach keine von ihnen
ein Wort.
    Auf einmal
sagte Ulrike: »Es könnte sein, dass ihr richtig liegt.«
    »Womit?«,
fragte Bruni.
    »Ich meine,
mit der Interpretation dieses Bildes.«
    Ulrike hatte
das Gespräch nur halb verfolgt und sich ihren eigenen Gedanken hingegeben. »Ich
glaube auch, dass die Ameisen Veränderung symbolisieren.«
    Bruni und
Caro sahen sie interessiert an.
    »Ich habe
die Scheidung eingereicht«, sagte Ulrike.

61
     
    Bea schritt durch den Korridor,
zog sich eine Nummer und setzte sich auf einen der schlichten Holzstühle an der
Wand. Es war nur eine Person vor ihr, und sie freute sich darüber, dass sie vermutlich
nicht allzu lange darauf warten musste, bis sie an die Reihe kam. Wenn man in Köln
aufs Rathaus ging, musste man Stunden an Wartezeit einkalkulieren, hier in Altenahr
ging es dagegen regelrecht familiär und beschaulich zu. Sie fühlte sich in der etwas
dumpfen, aber anheimelnden Fluratmosphäre wohl, und der Gedanke an das, was sie
vorhatte, ließ sie zufrieden die Beine ausstrecken. Der Mann neben ihr nickte ihr
freundlich zu, und sie nickte ebenso freundlich zurück, dann griff er zu einer Zeitschrift,
die auf einem Ecktisch neben seinem Stuhl lag. Gegenüber öffnete sich eine Tür und
heraus trat ohne große Eile ein Sacharbeiter, auch er grüßte,

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