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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Gastmann
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friedlich. Ein Platzwart fährt mit dem Rechen durch den Sand, andere fegen die steinernen Ränge und Emporen, die sicher zwanzigtausend Menschen fassen können. Eine geschlossene Kette aus Torbögen rahmt das Rondell ein. Ähnlich stelle ich mir das Kolosseum in Rom vor.
    Vor der Arena hat sich eine Schlange gebildet. Männer, ausschließlich Männer. Sie nennen sich «Aficionados», Stierkampf-Fans, und hoffen auf Karten für den Ostersonntag. Das Ende der Semana Santa ist der Beginn der Stierkampfsaison. Und die Aficionados wollen Blut sehen.
    «Por qué es la corrida de toros tan importante aqui?» Mein Spanisch könnte besser sein. Aber ich glaube, ich habe gerade gefragt, warum Stierkampf in Sevilla so wichtig sei.
    «Por qué, por qué, por qué?», ruft ein alter Mann mit Seppelhut, Sonnenbrille und blauem Sakko. «Na warum wohl? Das ist seit Jahrhunderten so!»
    «Seit Jahrhunderten?»
    «Si, si, es una fiesta nacional!»
    «Ein Fest von nationaler Bedeutung?»
    «Exactamente! Es war so, und es wird immer so sein!»
    Ein anderer mit Baskenmütze redet so schnell, dass ichnur zwei Wörter verstehe, aber die kommen in jedem Satz vor: Honor und Corazon. Und jedes «Corazon!» betont er mit solcher Hingabe, als wäre es sein letztes Wort. Wenn Gott den Holländern ihren Käse und den Franzosen den Sex gegeben hat, dann schenkte er den Andalusiern das Feuer. Doch sie können auch leise.
    «Warum wollen alle Torero sein?» Ein buckliger Herr weist schweigend auf ein Plakat, das an der Außenmauer der Arena klebt. Darauf sind die Kämpfe der Saison verzeichnet und alle Namen der Matadoren, die in diesem Jahr ihr Glück versuchen. Der Mann deutet auf Manuel «El Cid» Jesús und hebt den Daumen. «Muy bien!», sagt er, dann zeigt er auf den nächsten, schüttelt den Kopf und stöhnt. Offenbar ist dieser Torero den Eintritt nicht wert. Der Weißhaarige geht mit mir die ganze Liste durch, bis seine Finger auf einem Namen verharren: José Tomás. «El Rey!», ruft der alte Mann und küsst die Handflächen. Dabei ist sein Blick so voller Ehrfurcht, als spräche er vom Heiland.
    Du kannst in der Plaza de Toros sterben, und du kannst darin unsterblich werden. José Tomás ist auf den Sandböden der Arenen zum König geworden. Die Andalusier sagen, «El Rey» sei der beste Torero aller Zeiten. Das liegt an seinem Stil. José Tomás kämpft nicht, er tanzt. Niemand ist so furchtlos wie er. Manchmal trennen ihn nur Zentimeter von den 60 0-Kilo -Monstern, die auf ihn losgelassen werden, aber «El Rey» bleibt gelassen. José Tomás bäumt sich vor dem Stier auf, dann führt er ihn mehrmals langsam an seinem Körper vorbei, hin und her. Nach drei, vier Figuren wendet sich der Torero ab, dreht dem Tier den Rücken zu, hebt das Kinn und blickt auf die Ränge. Er lässt den Stier einfach stehen.
    «Ich will lieber in der Arena sterben als bei einem Autounfall»,soll «El Rey» gesagt haben. Die Aficionados lieben ihn dafür, und seine Kollegen halten ihn für verrückt. Denn natürlich hat dieser riskante Stil einen Preis. Nur wenige Toreros verletzten sich so oft und so schwer wie José Tomás. Er landet immer wieder auf den Hörnern, in einem denkwürdigen Kampf sogar drei Mal.
    Horn Nummer eins bohrte sich in seinen Bauch. Das Blut spritzte «El Rey» bis ins Gesicht, doch er kämpfte weiter. Dann erwischte der Stier den Oberschenkel, aber der Torero hielt durch. Und während er zum Todesstoß ansetzte, nahm ihn der Stier das dritte Mal auf die Hörner. «El Rey» richtete sich auf, ließ das Tuch fallen und breitete seine Arme aus. Er stand regungslos einen Meter vor dem Stier und starrte ihm in die Augen. Das Tier wankte, dann brach es zusammen.
    Ein guter Matador bekommt ein Ohr als Trophäe. Ein sehr guter beide Ohren. «El Rey» schritt an diesem Tag aufrecht aus der Arena und reckte seine Hände in den Himmel. Darin hielt er beide Ohren und den Schwanz des Stiers.
    «So ist das in Spanien», sagt Luis Gilbérez, ein Tierschützer mit buschigen Augenbrauen und grauem Rauschebart, den ich nachts vor der Real Maestranza treffe. «Ein Torero genießt hohes Ansehen, verdient einen Haufen Kohle und bekommt eine Audienz bei Juan Carlos persönlich. Professoren nicht.»
    Es gibt einen Grund, warum wir uns in der Dunkelheit vor das Haupttor geschlichen haben. Tagsüber sollte sich Luis hier besser nicht blickenlassen. Immer wieder beschmiert er Torero-Statuen, die um die Arena herum stehen, in roter Farbe mit dem Wort «Asesino»

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