Mit anderen Augen (German Edition)
wäre gerade in so einer Situation Ehrlichkeit angebracht.
Jannik kommt zu mir zur Tür, bleibt dicht vor mir stehen. „Du bist ein schlechter Lügner, Zack. Zumindest in der Beziehung. Außerdem solltest du aufhören, zu vergleichen.“
Vergleichen? Was meint er? „Ich verstehe nicht.“
„Du denkst darüber nach, was früher war, das ist falsch. Dein Körper ist für mich keine Ware und wird es nie sein. Du bist ein Mensch, kein Ding, das man für Geld kaufen kann.“
„Ich bin ein Killer.“
„Das stimmt. Trotzdem bist und bleibst du auch ein Mensch. Ich weiß nicht, was da gerade in deinem Kopf vor sich geht, aber ich spiele dein Spiel mit. Zumindest vorerst. Also? Willst du mit mir ins Bett gehen, Zack? Ja oder Nein?“
Wie meint er das denn jetzt wieder, er würde mein Spiel mitspielen? „Was soll...?“
Jannik schüttelt den Kopf. „Ja oder Nein, Zack?“
„Ja.“
Jannik lächelt, was mir eine Gänsehaut beschert. Ein merkwürdiges Gefühl, denn diese Gänsehaut ist anders. Sie ist keine Warnung oder ein Alarmzeichen, wie ich es gewohnt bin. Ich kann nicht beschreiben, was ich fühle, als er seine Hand ausstreckt und sie mir hinhält.
Eine Einladung, die ich annehmen muss.
Er wird nicht den ersten Schritt tun, deshalb nehme ich schweigend seine Hand und folge ihm, als er sein Bett ansteuert und mich dazu bringt, mich auf die Bettdecke zu setzen, bevor er sich Bob schnappt und ihn vor die Tür setzt, was der Kater mit einem empörten Maunzen kommentiert. Er mag es gar nicht, von uns ignoriert zu werden, aber heute Nacht wird er woanders schlafen müssen.
„Was jetzt?“, fragt er und lehnt sich gegen die geschlossene Tür.
Ich sehe ihn verblüfft an. „Woher soll ich das denn wissen?“
Jannik schmunzelt und deutet auf mich. „Ausziehen.“
Um Sex zu haben, sollte man seine Kleidung wohl vorher loswerden, sonderlich erotisch oder gar erregend finde ich das allerdings nicht. Es ist eher wie ein Besuch beim Arzt. Ausziehen, untersuchen, behandeln und am Ende wieder anziehen.
„Stopp“, hält Jannik mich auf, als ich meinen Pullover, das Shirt, die Schuhe und die Socken losgeworden bin und gerade nach dem Knopf meiner Hose gegriffen habe.
„Warum?“, will ich wissen, was ihn sichtlich amüsiert mit dem Kopf schütteln lässt. Ich habe keine Ahnung, was daran so lustig ist. „Wieso lachst du?“
„Das verstehst du in ein paar Minuten“, erklärt er geheimnisvoll und kommt zum Bett, um sich rechts von mir auf die Decke zu hocken. Er lässt den Blick langsam an meinem Oberkörper entlangwandern. „So viele Narben“, murmelt er und streicht kurz über eine längst verheilte Schnittwunde unter meiner rechten Brustwarze, die von einem Messer stammt. Sie war nicht tief oder gar gefährlich, hat allerdings höllisch geblutet.
„Messer“, sage ich schlicht.
Jannik sieht zu mir auf und tippt dann auf eine kreisförmige Narbe eine Handbreit unter meinem Bauchnabel. „Und die?“
„Zigarre.“
„Zigar...“ Er schluckt sichtlich. „Ich will es nicht wissen.“
„Ich hätte es dir auch nicht erzählt.“
„Blödmann“, grollt er halbherzig und grinst, als ich es ebenfalls tue, bevor er eine centgroße Narbe auf meinem rechten Oberarm berührt. „Ein Durchschuss?“, rät er und tippt dabei auf die zweite Narbe an der Rückseite meines Arms.
„Ja.“
„Und diese merkwürdig gezackte Narbe auf deinem Oberschenkel?“
Dass Jannik mich in der letzten Zeit beobachtet hat, ist mir nicht entgangen, und scheinbar hat er sehr genau hingesehen, sonst wüsste er nicht, wo sich eine der Narben befindet, die er momentan durch die Hose nicht sehen kann.
„Kampfmesser mit Säge an der Klinge.“
Jannik verzieht das Gesicht. „Das hat wehgetan, oder?“
„Ja.“
Verletzungen tun immer weh. Vielleicht nicht sofort, weil der erste Schock zu groß ist, aber mir kann niemand erzählen, dass ein Mensch mit einem normalen Schmerzempfinden Verletzungen so ausblenden kann, dass er sie nicht mehr fühlt. Man kann Verletzungen einige Zeit kontrollieren, das habe ich auch gelernt und es ist sogar bei schweren Verletzungen möglich, aber weiterkämpfen und dabei alles geben, das ist in meinen Augen eine Wunschvorstellung aus Film und Fernsehen, die mit der Realität nicht viel gemeinsam hat.
Ich werde unruhig, als Jannik plötzlich seine Position verändert und sich hinter mir aufrichtet. Seine Lippen wandern über meinen Nacken. Behutsam, sanft, nichts von mir fordernd, während er mit
Weitere Kostenlose Bücher