Mit anderen Augen (German Edition)
dass wir über 'uns' reden müssen, sobald dieser Irrsinn, wie Jannik es genannt hat, hinter uns liegt.
„Das werden wir sehen, wenn es soweit ist.“
Ein lautes Kratzen an der Tür, gefolgt von einem wütenden Miauen, weckt mich am nächsten Morgen.
Bob ist sauer, was nicht zu überhören ist. Nicht zu überhören ist außerdem Jannik, der mit dem Gesicht nah an meinem liegt und mir ins Ohr atmet. Er liegt halb auf und halb neben mir und hat es dabei irgendwie geschafft, sich in die Bettdecke einzuwickeln, weshalb mir nur eine Ecke bleibt. Kein Wunder, dass ich wachgeworden bin. Mir ist kalt. Sollte es je dazu kommen, dass wir dauerhaft im gleichen Bett schlafen, müssen zwei Bettdecken her, soviel steht fest.
Dass ich über so etwas nachdenke, kommt mir verrückt vor, aber die Vorstellung gefällt mir. Bobs Gekratze ignorierend, lasse ich meinen Blick über Janniks Gesicht wandern. Er ist so jung. Vor allem jetzt, wo er schläft, sieht er fast aus wie ein Kind. Als ich ihm vorsichtig über die Wange streichle, seufzt er im Schlaf und schmiegt sich noch dichter an mich.
Ich schätze, dass im Moment nicht mal mehr ein Blatt zwischen uns Platz hätte, aber ihn so nah bei mir zu haben, ist nicht unangenehm. Jannik ist warm und er riecht gut. Irgendwie nach ihm selbst und dem Duschgel, das er immer benutzt. Ich könnte mich daran gewöhnen, so aufzuwachen. Mit Jannik direkt neben mir.
„Hm“, macht er, als ich ihm auf die Nase tippe, die er dabei rümpft.
Bob maunzt, als würde er im Flur bestialisch ermordet, was Jannik endgültig aus dem Schlaf reißt. Gähnend blinzelt er herum und stutzt, als sein Blick auf mir hängenbleibt.
„Oh.“
„Oh?“, frage ich amüsiert.
„Ich dachte, ich hätte das gestern nur geträumt“, antwortet er und sieht an uns hinunter, soweit das möglich ist. „Scheinbar nicht.“
Bob kratzt wieder an der Tür.
„Oh je“, meint Jannik und reibt sich den Schlaf aus den Augen, bevor er sich von mir löst und aufsetzt, um sich aus der Bettdecke zu wickeln und dabei zu gähnen. „Kommst du mit?“
Ich sehe auf die Uhr auf seinem Nachttisch. Es ist kurz nach Sieben. Wo will er um die frühe Uhrzeit hin? „Wohin?“
„Zum Bäcker. Frühstück besorgen und ein Leckerli für Bob, weil wir nach letzter Nacht definitiv bei ihm verschissen haben.“
Ich muss lachen, es geht nicht anders. Dieser Kater ist unmöglich und wird uns dafür, dass wir ihn aus Janniks Schlafzimmer verbannt haben, vermutlich die Krallen spüren lassen.
„Ich komme mit.“
„Gut.“ Jannik überlegt kurz. „Eigentlich könnten wir auch gleich in die Stadt, um richtig einzukaufen. Wir brauchen Weihnachtszeug. Du kannst mir tragen helfen.“
„Noch mehr von dem Glitzerkram?“, frage ich verblüfft, während ich gleichzeitig überlege, wo er das noch aufhängen will.
„Zack!“, empört er sich, grinst aber gleichzeitig, was mich amüsiert abwinken lässt.
„Schon gut, ich habe nichts gesagt.“
„Ich meinte eigentlich Nahrung für uns, keine Dekoration.“ Er lacht, um mich dann einen Moment nachdenklich zu mustern. „Stört es dich sehr? Die Weihnachtsdekoration, meine ich. Ich kann sie wegräumen, wenn du...“
„Nein, lass es ruhig“, falle ich ihm ins Wort und sehe ihn irritiert an. „Sie gefällt dir doch. Warum solltest du sie wegräumen?“
„Weil es dir nicht gefällt?“, kontert Jannik fragend.
Ich zucke die Schultern. „Das wird mein erstes Weihnachtsfest seit über zwanzig Jahren. Frag' mich im neuen Jahr, ob es mir gefallen hat.“
„Werde ich tun“, sagt er nickend und klettert über mich hinweg aus dem Bett, um mir meine Hose zuzuwerfen, bevor er in seine eigene schlüpft. „Wir brauchen Katzenfutter und genug zu essen, um über die nächsten beiden Wochen zu kommen. Ich habe keine Lust zwischen Weihnachten und Silvester einen Großeinkauf zu machen. Willst du was Bestimmtes?“
Ich komme nicht zu einer Antwort, als sich plötzlich mein Instinkt meldet und in der nächsten Sekunde beginnt der optische Alarm zu leuchten, für den ich in jedem Zimmer über der Tür ein kleines, rotes Blinklicht angebracht habe. Ich lausche in die Stille. Jannik steht wie erstarrt neben mir am Bett. Im Haus ist nichts zu hören. Selbst Bob ist auf einmal ruhig, was mir hätte auffallen müssen, aber dafür ist es jetzt zu spät, denn draußen knirscht Schnee.
Jemand ist vor dem Haus und ich bezweifle, dass es unser Vermieter oder Jonathan sind. Sie hätten längst an die Tür
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