Mit anderen Augen (German Edition)
Janniks Leben retten kann, es wird entweder hier stattfinden, zu meinen Bedingungen, oder gar nicht.
Haruto telefoniert einige Minuten. Ich spare mir das Lauschen, da er auf japanisch redet und ich ohnehin kein Wort verstehen würde. Dann steckt er das Handy ein und wendet sich mir wieder zu.
„Sie wählen den Ort. Wir wählen die Zeit.“
„Der Ort ist hier.“
Haruto nickt. „Einverstanden.“
Damit ist unser Gespräch beendet und die Yakuza verschwinden so schnell, wie sie zuvor aufgetaucht sind. Sobald sie nicht mehr zu sehen sind, entriegelt Jannik den Wagen und steigt aus. Er bleibt beim Auto stehen, bis ich ihm mit einem Nicken andeute, dass alles okay ist, und dann gibt es für ihn kein Halten mehr.
Ich bin ziemlich überrumpelt, als er mich umarmt, aber bevor ich in irgendeiner Form reagieren kann, geht er auf Abstand, sieht mich böse an und boxt mir gegen den Arm.
„Du blöder Arsch!“
Muss ich das jetzt verstehen? „Ähm...“
„Wieso leben wir noch? Ach, ich will's gar nicht wissen. Ich brauche einen Schnaps, oder besser zwei. Mir zittern die Hände und die Knie und überhaupt einfach alles.“ Mit einem Schnauben deutet er auf das Haus. „Mach auf!“
„Darf ich vorher noch den Wagen abschließen?“, frage ich und muss mich zurückhalten, um nicht zu grinsen, obwohl ich nicht mal genau weiß, warum ich seine Reaktion auf einmal amüsant finde.
„Ja. Nein. Pfft.“
Das kommentiere ich jetzt besser nicht, sonst schlägt er mich gleich nochmal. Nicht, dass es wehgetan hätte, aber allein die Tatsache, dass er sich überhaupt getraut hat, ist eine Überraschung. Jannik muss von dem Auftritt der Yakuza völlig durch den Wind sein. Wie es mir damit geht, da bin ich mir noch nicht so sicher.
Vielleicht ist ein Schnaps gar keine so schlechte Idee.
Es werden zwei Schnäpse. Danach steige ich auf Wasser um. Jannik ist nicht so klug, sondern bleibt bei dem Wodka, den er in der kleinen Hausbar im Wohnzimmer gefunden hat. Dafür wird er morgen büßen, aber zumindest hat der Alkohol seine Nerven nach einer Weile soweit beruhigt, dass ich normal mit ihm reden und ihm erzählen kann, was draußen passiert ist, während er im Wagen saß.
„Und jetzt?“, fragt er, als ich zu Ende gesprochen habe und gießt sein fünftes Glas voll.
„Und jetzt“, wiederhole ich und lehne mich auf der Couch zurück. „Warten wir, bis wir irgendwann, was morgen oder in einem Jahr sein kann, erneut Besuch von der Yakuza bekommen, um über dein Leben zu verhandeln.“
„Hm“, macht er nichtssagend und trinkt einen Schluck. Er grübelt, das sehe ich ihm an. „Wieso hast du Tokio eigentlich abgelehnt?“, fragt er schließlich. „Ich habe zwar nicht viel Ahnung von solchen Dingen, aber wäre es nicht höflicher gewesen, die Einladung anzunehmen, so wie dieser Japaner sie überbracht hat?“
Das stimmt. „Normalerweise hätte ich das auch getan, aber ich habe zu viele Feinde in Tokio.“
„Was für Feinde?“, will er wissen und statt einer Antwort sehe ich ihn nur an. Jannik verdreht die Augen zur Decke. „Oh bitte, nicht wieder dieser Blick. Wem sollte ich es denn erzählen?“
Er hat Recht, aber warum sollte ich ihm sagen, was mich damals aus Tokio weggetrieben hat? Es ist lange her und es geht ihn nichts an.
Jannik beugt sich im Sessel vor, stellt das Glas auf den Couchtisch und sieht mich tadelnd an. „Wenn ich könnte, würde ich dir jetzt eine verpassen, du sturer Dickschädel.“
„Bitte?“ Ich bin völlig verblüfft.
„Jetzt tu doch nicht so überrascht. Du machst aus deinem Leben ein Staatsgeheimnis, aber wehe, wenn ich dir etwas nicht erzählen will.“
„Das ist nicht dasselbe“, wehre ich ab, was Jannik natürlich erst recht auf die Palme bringt.
„Doch, das ist es“, widerspricht er trotzig. „Du hast die Sache damals angefangen. Wir hängen beide mit drin. Und wie ich eben schon sagte, wem sollte ich es erzählen?“
Er ist manchmal so eine Nervensäge. „Wieso willst du das unbedingt wissen?“
„Hallo?“, fragt er verärgert und tippt sich dabei vielsagend gegen die Stirn, was in dem Fall auch eine Antwort ist.
Jannik will mich kennenlernen, das hat er mehr als einmal deutlich gemacht und im Grunde genommen würde es mich nicht umbringen, ihm davon zu erzählen. Andererseits ist mein Leben nicht gerade eine Gutenachtgeschichte und ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, wenn er mich besser kennt. Es könnte seinen Blickwinkel auf mich ändern und
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