Mit Arabella fing alles an
herum bereits getrocknet war, nahmen wir als Ersatz eine feuchte Seifenlösung.
Stoßweise versuchte die Kuh immer noch, das Kalb auszupressen und Price stimmte unsere Anstrengung mit ihrem Rhythmus ab. Auf sein Signal hin begann ich an den Seilen zu ziehen, während er den Kopf und die Beine des Kalbes in die richtige Lage brachte. »Sobald es anfängt, rauszukommen, mach weiter, und hör bloß nicht auf zu ziehen, bis ich halt sage«, warnte er.
Das Herausziehen von Kälbern ist ein ausgezeichnetes Training für weiche Bauchmuskeln. Meine begannen zu zittern, bis endlich die Kuh laut stöhnte und Füße nebst Kopf des Kalbes wieder auftauchten. Price nahm mir eines der beiden Seile ab, und mit vereinten Kräften lehnten wir uns zurück und zogen wie zwei alte Matrosen beim Heraufholen des’ Ankers. Trotzdem begann ich an unserem Erfolg zu zweifeln. Doch plötzlich kniete sich die Kuh vorne hin, brüllte aus Protest und vor Schmerzen und hatte eine letzte starke Wehe. Dadurch trat der Kopf heraus, dann waren die Schultern und Sekunden später zwei Drittel des Kalbes draußen. Ich hätte nachgegeben, aber Price schrie: »Zieh weiter! Zieh die Hüften raus! Zieh weiter!«
Nochmals gab es einen kurzen Widerstand, aber dann glitt das Kalb, ein riesiges Baby, auf die Strohballen. Ich hielt es für leblos aus Erschöpfung von den Strapazen der Geburt, aber Price war anderer Meinung. Er kniete sich hin, klärte Nase und Maul von Schleim und verlangte kaltes Wasser. Ich brachte ihm einen Krug voll aus dem Milchraum, womit er Kopf und Nacken des Kalbes besprengte.
Der Schock tat seine Wirkung. Das Kalb fing an zu zittern und atmete dann etwas hart und schmerzlich ein. Seine Brust begann sich zu heben, zunächst etwas zögernd, aber dann immer stärker.
»Mein Gott«, sagte Price und sah mich an, »dies ist eins der größten Kälber, die ich je gesehen habe. Das ist wirklich ein Superkalb.«
Ein normales Friesen-Hereford-Kalb wiegt etwa achtzig Pfund bei der Geburt. Dieses hatte bestimmt an die zwanzig Pfund mehr drauf.
Es schien uns ratsam, dem Tierchen erst einmal etwas Zeit zum Erholen von den Anstrengungen der Geburt zu lassen, bevor wir es in ein Gehege brachten. In eine Ecke des Melkstalles legten wir Stroh und trugen dann das kraftlose Neugeborene hinüber zu seinem Lager.
Die Kuh stand jetzt wieder auf den Beinen und versuchte, sich in der Box umzudrehen.
»Was machen wir mit ihr?« fragte ich.
»Wir müssen sie da rausholen«, meinte Price aufmunternd. »Entweder sie nimmt das Kalb an oder sie dreht durch. Ich hab’s schon erlebt, daß sie nach einer schweren Geburt echt verrückt werden.«
Aber diesmal nicht. Wohlwollend und ruhig verhielt sich die Kuh dem Kalb gegenüber, das ihr solche Mühen und Schmerzen verursacht hatte. Vorsichtig roch sie an ihm und vergewisserte sich, daß es tatsächlich ihr eigenes war: sie leckte es zum Leben.
Price und ich machten alles sauber. Ich war ziemlich zermürbt, aber er nahm alles auf die leichte Schulter. Mit leiser Stimme erzählte er mir davon, als sie einmal einen Flaschenzug und einen Land-Rover benutzen mußten, um ein Kalb herauszuholen. Er wurde verlegen, als ich ihm dankte. Nicht einmal eine Tasse Tee wollte er akzeptieren. So fuhr ich ihn wieder den Weg hinauf, wo sein Traktor stand. Noch bevor ich mein Auto gewendet hatte, war er bereits wieder bei der Arbeit. Ich konnte das nicht. Mit zittrigen Händen fuhr ich zurück und ging ins Haus, um erst einmal einen Kaffee zu trinken, von dem Neuankömmling zu berichten und mich zu erholen.
Das Kalb überwand seinen schlimmen Lebensanfang und wuchs wie ein Pilz. Es war von einem der besten Hereford-Bullen gezeugt worden, was sehr deutlich wurde. Wahrscheinlich war es das prächtigste Tier, das wir auf dem Bauernhof je hervorbrachten. Die Kinder nannten es Charley-Baby.
Wir hatten eine Kuh für zweiundneunzig Pfund während einer Berghof-Auktion erstanden, die sich als eine ausgezeichnete Investition herausstellte. Nach weniger als drei Monaten brachte sie ein gewaltiges männliches Kalb mit schwarzem Fell auf die Welt, das wir aus dringendem Bedarf nach Bargeld verkauften. Es war fünf Tage alt und brachte uns fünfundsiebzig Pfund. Kurz darauf brach der Handel mit Kälbern zusammen, und ein Jahr später hätte es uns nicht soviel gebracht, obgleich es dann ein stämmiger, hungriger kleiner Bulle gewesen wäre.
Wir lernten bald die Tatsache zu schätzen, daß Milchkühe nicht etwa Milch produzieren, um
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