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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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seit wann er in der Betonhöhle saß.
    Irgendwann schlief er ein. Es knallte metallisch an die Tür. »Aufstehen!« Ein Wärter schlug seinen schweren Schlüsselbund von außen gegen das Schloss. Der Gefangene setzte sich auf und starrte an die Wand. Alles verschwamm ihm vor den Augen. Er folgte der Linie, die das Ocker trennte vom Schmutzigweißen. Er begriff nicht, was mit ihm geschah. Gestern früh hatten sie ihn aus dem Bett geklingelt, sie waren zu zweit. Sie durchwühlten die Wohnung, packten Papiere aus seinem Schreibtisch in eine Kiste. Als er fragte, was sie täten, antwortete einer:
    »Sie reden nur, wenn Sie gefragt werden.« Nachdem die Suche beendet war, erklärte der Mann: »Wir nehmen Sie mit zur Klärung eines Sachverhalts.« Dann zwangen sie ihn, sich anzuziehen, und legten ihm Handschellen an. Auf der Straße begegnete ihnen eine Nachbarin, sie hatte bisher freundlich gegrüßt, jetzt drehte sie sich weg. Im Auto wartete ein Fahrer. Um was es gehe, fragte der Gefangene, als das Auto losfuhr. »Das wissen Sie genau!«, schnauzte ihn der Mann an, der neben ihm saß. »Seien Sie ruhig!« Sie zwangen ihn, sich nach vorne zu beugen, dann legten sie eine Decke über ihn. Sie fuhren eine Weile, dann hielt der Wagen. Die Decke wurde weggezogen.
    »Aussteigen!« Dann durchsuchten sie ihn, gaben ihm Wäsche und Geschirr und sperrten ihn in die Betonzelle. Irgendwann verlor er das Zeitgefühl, immer brannte das Licht. Er fand keinen Rhythmus in den Schritten auf dem Gang. Der Hunger meldete sich. Er stand auf und klopfte gegen die Tür. Er wartete, nichts geschah. Er klopfte wieder. Nichts. Dann näherten sich Schritte, er klopfte. Die Schritte entfernten sich wieder.

3
    Auf dem Weg zum Dammtor-Bahnhof kam er am Tokaja vorbei. Er wollte nicht allein zu Hause hocken, so ging er hinein. Es war dunkel und rauchig. An dem Tisch, wo er früher mit Ossi und Anne gesessen hatte, waren alle Plätze besetzt. Er fand einen Hocker an der Theke. Hinter der Theke arbeitete einjunger Mann in einem ärmellosen Hemd mit Comiczeichnungen darauf. Er hatte kurze rote Haare und einen Spitzbart. Stachelmann bestellte einen italienischen Weißwein und einen Grappa. Der Rothaarige stellte beides vor ihn, dann wechselte er die CD in der Musikanlage. Stachelmann drehte sich vom Tresen weg und betrachtete die Leute. Es kam ihm komisch vor, allein in einer Kneipe zu sitzen und zu trinken. »Das Gleiche noch mal?«, fragte der Mann mit dem Comichemd. Stachelmann nickte. Fast hätte er versucht, mit der Hand den Schleier wegzuziehen, der vor seinen Augen lag. Er fühlte sich müde und elend. Der Rothaarige stellte Wein und Grappa auf den Tresen, Stachelmann trank schnell. Er hörte den Spielautomaten dödeln neben der Tür zur Toilette. Davor zwei junge Männer, einen davon glaubte er schon einmal gesehen zu haben, vielleicht in einem Seminar. Die beiden waren angetrunken. Der Automat klapperte, sie hatten gewonnen. Sie lachten, schlugen sich auf die Schultern und gingen. Stachelmann hätte gern gewusst, wie sie mit ihren Vätern standen.
    Der Rothaarige mit dem ärmellosen Hemd hatte wieder zwei Gläser hingestellt. Stachelmann drehte sich zum Tresen und betrachtete die Flaschen im Regal. Dann hörte er den Hocker neben ihm, er wurde verschoben. Er achtete nicht weiter darauf, trank einen Schluck Weißwein. Jemand tippte ihm an die Schulter, er drehte sich um und erschrak.
    »So schlimm ist es doch nicht«, sagte Ines Griesbach.
    Stachelmann schüttelte den Kopf, zu heftig. »Nein, nein.« Er hörte sich stammeln. Ein leichter Schwindel erfasste ihn. Warum, verdammt, hatte er so viel trinken müssen?
    »Ist der Wein zu empfehlen? Das da in dem kleinen Glas lass ich lieber aus. Sonst mache ich nur Unsinn. Das ist dann für andere lustig, aber nicht für mich.« Sie klang, als wären sie schon lange vertraut miteinander.
    Stachelmann winkte dem Mann hinter dem Tresen und zeigte auf sein Glas und dann auf Ines. Der Rothaarige nickte.
    »Hier kann man sich schlecht unterhalten«, sagte Ines.
    »Es ist laut.« Sie berührte sein Ohr fast mit ihrem Mund. Sie roch aufregend, ein dezentes Parfüm. Der Mann hinter dem Tresen stellte ein Weinglas vor ihr ab. Sie hob es und hielt es Stachelmann hin. »Prost«, sagte sie lächelnd.
    »Auf Sie!«
    »Nein, nein«, sagte Stachelmann, »auf Sie beide.«
    Sie lächelte. »Auf meinen Mann kann ich schlecht trinken.
    Erstens ist er nicht da. Zweitens haben wir uns gestritten.«
    »Tut mir Leid«, murmelte

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