Mit dem falschen Bruder im Bett
zuckte er innerlich zusammen. Sie hatte genau das getan, worum er sie gebeten hatte – sie war ein Risiko eingegangen und hatte versucht, ihm zu gefallen. Ja, sie war zu weit gegangen, und sie war mehr von Furcht angetrieben als von Verlangen, aber er hätte vorsichtiger sein müssen, als er sie darauf hingewiesen hatte. Stattdessen hatte er genau das Gleiche getan wie ihre früheren Freunde – er hatte sie sich unzulänglich fühlen lassen. Zugegeben, das war nicht seine Absicht gewesen, aber er hatte die Sache sowas von versaut, dass es kein Wunder war, dass sie über seine Liebeserklärung hinweggegangen war und bei der erstbesten Gelegenheit in ein Flugzeug gestiegen war.
Max gab ihm ein Zeichen von der rechten Seite, dass es Zeit war, den letzten Freiwilligen aus dem Publikum auf die Bühne zu bitten. Rhys nickte, dankbar, dass das Ende greifbar nahe war. Wenn die Menge gegangen war, würde er Max sagen, was er beschlossen hatte. Wenn Melina es nicht über sich bringen konnte, in seiner Welt zu leben, dann musste er eben in ihrer leben. Am Anfang wäre es wahrscheinlich schwer, aber Max war ein großer Zauberer. Falls er Rhys‘ Hilfe bräuchte, würde er, Rhys, für ihn da sein, aber mit dem Herumreisen wäre definitiv Schluss für ihn. Das hatte er seinen Eltern bereits mitgeteilt, die ihm ihre volle Unterstützung angeboten hatten und ihm nur Gutes wünschten.
Er liebte Melina. Falls er irgendeine Chance hätte, sie zurückzugewinnen, würde er genau das tun.
Während Amanda und Tina sich im Verborgenen hinter der Bühne aufhielten, trat er wieder auf die Bühne. „Für mein letztes Kunststück brauche ich jetzt jemanden aus dem Publikum, der mir assistiert.“ Die Hälfte des Publikums hob die Hände, und Rhys lächelte ungehörig. „Eigentlich hätte ich etwas genauer sein sollen. Ich brauche einen Freiwilligen, der einen Rock trägt.“ Drei Viertel aller Hände senkten sich. Rhys grinste. „Lasst mich das noch etwas enger fassen! Eine weibliche Freiwillige, die einen Rock trägt.“
Mehrere Männer lachten und legten ihre Hände nieder.
Max ging ins Publikum, näherte sich einer dunkelhaarigen Frau und führte sie in Richtung Bühne. „Ah, wunderschön. Bitte kommen Sie hier herauf, Madam!“
Sie kamen näher, und Rhys kniff die Augen zusammen, um am Strahlen der Scheinwerfer vorbeizusehen. Er sog erschrocken einen Atemzug ein, als er Melina erkannte. „Melina?“, fragte er und vergaß komplett, dass er ein Mikrophon trug. Ihr Name hallte durch das Theater.
„Ja, da ist Melina!“ Max half Melina auf die Bühne hinauf und benutzte dann sein eigenes Mikro, um sie vorzustellen. „Melina hat sich freiwillig gemeldet, um sich in Rhys‘ fähige Hände zu begeben, also wollen wir ihr eine große Runde Applaus ausgeben!“
Rhys konnte sie nur anstarren. Ihre Augen waren groß wie Untertassen, und ihre blasse Haut hatte gerötete Flecken. Ihre Beine waren nackt, und sie trug dieselben hochhackigen Schuhe, die sie getragen hatte, als sie das Korsett getragen hatte, aber ihr heller, blassgrüner Mantel verdeckte, was sie sonst noch trug. Mit zwei Händen hielt sie den Mantel geschlossen, als ob sie fürchtete, dass er ihn ihr herunterreißen könnte.
„Liebling“, sagte Rhys, und es war ihm jetzt egal, wer ihn hören konnte. „Du musst nicht …“
Max führte Melina in die Mitte der Bühne und zeigte mit einer schwungvollen Verbeugung an, dass Rhys anfangen sollte. Als der zögerte, machte sich Max an ihn heran, bedeckte sein Mikro und zischte ihm zwischen zusammengebissenen Zähnen zu: „ Je eher du das verdammte Kunststück machst, desto eher kannst du sie von der Bühne herunter bekommen. Das solltest du wollen, bevor sie ohnmächtig wird.“
„Warum …“
Doch Max ging weg, und Rhys trat näher zu Melina. Sie sah ihn an, und ihr Mund zitterte. Dann hob sie ihr Kinn und lächelte, ein süßes, tapferes Lächeln. Er nahm ihre Hand und drückte sie. Sie drückte zurück. „Tu es!“, flüsterte sie.
Rhys erwachte schlagartig aus seiner Betäubung und zog seine Seidenschals heraus. Es waren nicht dieselben, die er in Lake Shasta verwendet hatte – die hatte er in die Schublade seiner Kommode verabschiedet. Er zeigte dem Publikum zwei weiße Schals und knotete sie dann zusammen. Dann wandte er sich Melina zu. „Madam, könnten Sie diese unter ihrem Rocksaum feststecken, bitte?“
Melina nahm die Schals mit der einen Hand, während sie mit der anderen todesmutig ihren Mantel
Weitere Kostenlose Bücher