Mit dem schlimmen Zwilling im Bett
wusste, was ihre Gedanken bedeuteten. Dass sie ein Feigling war. Aber die brachten sie auch dazu, praktisch zu sein.
Wenn ihre Eltern nicht so lange gewartet hätten, sie zu bekommen, hätten sie sie in den Tanzaufführungen ihrer Schule sehen können. Mit ihr ihre Schulabschlüsse und die Erlangung des akademischen Grades feiern können. Da sein können, um sie zu halten und weinen zu lassen, wenn sie ihren ersten Liebeskummer hatte.
Aber die Zeit hatte nicht nur ihre Eltern, sondern auch sie um all diese Gelegenheiten gebracht. In all den Jahren hätte sie lieben und geliebt werden können.
Sie wollte nicht den gleichen Fehler wie ihre Eltern machen – abzuwarten, ein Kind zu haben, bis durch das Alter alles aufs Spiel gesetzt wurde. Jetzt war die Zeit. Die Zeit, um ihre eigene Familie aufzubauen, egal welche Form sie annehmen würde.
Sie betrachtete Melinas runden Bauch, strich dann über den Stapel Babykleidung neben ihr. Robert Wie-war-doch-gleich-wieder-sein-Name war ein Reinfall gewesen, aber die Agentur hatte noch andere Kandidaten parat. Hoffentlich würden nicht alle interessierten Männer so scheinheilig sein.
Durch ein plötzliches Keuchen von Melina schnellte Grace‘ Kopf herum. Ihre Freundin stand in der Mitte des Wohnzimmers, hatte eine Hand fest auf ihren Bauch gepresst und hielt sich mit der anderen an der Rückenlehne eines Stuhles fest. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Gesicht schmerzverzerrt.
Grace‘ Herzschlag stockte. Sie stand auf und raste zu Melina. „Oh, Gott! Hast du Wehen?“
„Das kann nicht sein“, sagte Melina, die Augen immer noch geschlossen. „Ich bin erst in zwei Monaten soweit. Das werden wahrscheinlich Scheinwehen sein.“
„Hier komm, ich helfe dir zum Sofa!“ Grace hakte Melina am Ellbogen unter und führte sie dorthin, wo sie gerade gesessen war.
Knapp zehn Minuten später keuchte Melina wieder, und dieses Mal wurde ihr Gesicht weiß. Ihrem Keuchen folgte ein kehliges Knurren.
Als sie sich beruhigt hatte, rief Grace im Krankenhaus an und erklärte, was los war. Die Krankenschwester wies sie an, herzukommen, falls die Kontraktionen anhielten.
„Ich bin sicher, dass es mir gut geht. Meine Fruchtblase ist noch nicht geplatzt“, sagte Melina. Eine weitere Kontraktion beutelte sie. Dann noch eine. Ihr entfuhr ein lautes Ächzen, und ihre Augen verdrehten sich.
„Ich bringe dich ins Krankenhaus. Jetzt.“ Grace holte ihre Handtasche und nahm ihr Handy heraus.
„Vorwehen! Ich weiß jetzt, was das ist. Aber vielleicht ist es jetzt auch an der Zeit, Rhys anzurufen.“ Melina war blass geworden, ihr Gesichtsausdruck voller Angst.
Endlich! Grace hatte Rhys schon vor zwanzig Minuten anrufen wollen, aber Melina hatte das abgelehnt. Mit zitternden Händen suchte sie Rhys‘ Handynummer und wählte. Nach viermaligem Läuten hörte sie die Sprachbox antworten. Sie hinterließ eine kurze Nachricht, dass sie seine Frau ins Krankenhaus brachte wegen wahrscheinlicher vorzeitiger Wehen.
Dreißig Minuten später ging Grace neben Melina nervös auf und ab; sie lag in einem Krankenhausbett und wurde per Ultraschall untersucht. Sie hatten immer noch nichts von Rhys gehört. Die Überwachung zeigte, dass es den Babys gut ging, aber der Arzt hatte noch nicht sagen können, ob es sich um Scheinwehen oder vorzeitige Geburtskontraktionen handelte.
„Weißt du wirklich nicht, wo sich dein Ehemann gerade aufhält?“, fragte Grace und versuchte, die Anspannung aus ihrer Stimme herauszuhalten. Es hatte keinen Sinn, eine bereits leicht verschreckte Melina noch mehr zu verschrecken. Sie setzte sich neben ihre Freundin und streichelte deren Arm auf – wie sie hoffte – beruhigende Weise.
„Er hatte einen Termin, das ist alles, was ich weiß.“
Wieder keuchte Melina vor Schmerz. Grace‘ Blick fiel auf den Monitor – eine weitere Kontraktion.
Vielleicht würde Max wissen, wo sein Bruder war.
Sie zog ihr Handy hervor und fand seine Nummer. Die unanständigen Texte von gestern waren noch da, doch sie beachtete sie nicht weiter. Max antwortete auch nicht, aber sie hinterließ eine genaue Nachricht, ließ ihn wissen, dass Melina im Krankenhaus war und dass sie seinen Bruder nicht erreichen konnte.
Augenblicke später kam Melinas Ärztin und erklärte, dass sie Medikamente einsetzen würde, um die Kontraktionen zu stoppen. Sie sollten sich nicht beunruhigen. Melina und den Babys ginge es gut, sie wären nicht in Gefahr.
Erst beinahe eine Stunde später läutete ihr Handy.
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