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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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herrschte für einen Atemzug Stille – alle, auch die, die ihn zuvor wenig beachtet hatten, starrten Murke an.
    «Hier steht’s», rief er mit kippender Stimme und schwenkte seine Broschüre wie eine Siegesfahne, doch das ging schon in der neu aufbrandenden Debatte unter.
    ‹Struensee lebt›. Zwei Worte, die zündeten wie ein Windstoß in nur noch glimmendem Feuer. Das war tatsächlich neu, und plötzlich war sich Murkes Publikum nicht mehr einig. Die, die selbst ein Exemplar ergattert hatten, beugten sich über das Papier, andere versuchten mitzulesen,einige lachten, allerdings klang es weniger fröhlich als schrill.
    Struensee, las Murke vor, sei es gelungen, aus seinem Kerker zu entkommen und statt seiner einen Doppelgänger aufs Schafott zu schicken, der ihm hündisch ergeben gewesen sei. Oder eine teuflische Chimäre, das sei ungewiss. Jedenfalls sei es nicht der Geheime Kabinettsminister des Königs gewesen, dem zuerst die Hand und dann der Kopf abgeschlagen, dessen Körper gevierteilt aufs Rad geflochten, Kopf und Hand auf Stangen gespießt ausgestellt worden seien, bis alles an einem geheimen Ort verscharrt worden war.
    Murke hielt es mit der teuflischen Chimäre. Nun, verlas er weiter, sei der Entkommene auf der Flucht und bereite sich mit seinen Spießgesellen vor, anderswo sein unmenschliches Spiel zu treiben. Umsturz, Revolution oder eine andere Teufelei.
    «Unmenschliches Spiel», murmelte eine Stimme in Sonnins Nähe, Murkes wichtigtuerische Stimme nachäffend. «Das unmenschliche Spiel betreiben ganz andere.»
    Sonnin sah sich suchend um, aber er konnte nicht erkennen, zu wem die Stimme gehörte. Nun hätte er doch gerne eines dieser Pamphlete gekauft, der Händler hob nur grinsend die Schultern und schüttelte den Kopf.
    «Kommt morgen früh wieder», sagte er, beflissen die Hände gegeneinanderreibend, «bis dahin ist nachgedruckt.»
    «Und hoffentlich von der Zensur konfisziert», knurrte der Baumeister und kämpfte sich unwirsch wieder aus dem Menschenknäuel. Spätestens in einer Stunde würde es in der ganzen Stadt und den umliegenden Ortschaften verbreitet sein: ‹Struensee lebt›. Genug Schwachköpfe würden es glauben. Einige vielleicht, weil sie es hofften, weilsie sich an den jungen unermüdlichen Physikus erinnerten, der verbissen gegen die Windmühlenflügel der Dummheit und des Aberglaubens gekämpft hatte – selbst etliche, die ihn nicht gemocht und seine Ansichten absolut nicht geteilt hatten, fanden sein Ende übertrieben und unrecht. Die meisten jedoch, weil ihnen die Vorstellung zu einem wohligen Grausen verhalf. Besonders in Verbindung mit der teuflischen Chimäre.
    «Sonnin, alter Freund, Ihr seht aus, als hätte Euch jemand das Buttermilchtrinken verboten.» Claes Herrmanns, Großkaufmann und eine der Grauen Eminenzen der Stadt, stellte sich dem grimmig und blind für seine Umwelt über den Platz stapfenden Baumeister in den Weg und musterte ihn amüsiert. «Seid Ihr in eine Rauferei geraten? Wenn Ihr erlaubt   …»
    Mit einem raschen Griff rückte er die im Gedränge verrutschte Perücke des Baumeisters gerade und klopfte ihm ein wenig von dem herabgerieselten grauen Puder von der Schulter.
    «Ein Becher Buttermilch käme mir jetzt sehr recht. Es geht nichts über frische Buttermilch. Und Rauferei? Beinahe.» Er blickte zu der sich auflösenden Menge vor der Bücherbude zurück und schnaufte ärgerlich. «Der Kerl dort verkauft mal wieder eine dieser erbärmlichen Flugschriften. Ich dachte, damit sei es endlich vorbei. Irgendein Idiot hat sich tatsächlich was Neues ausgedacht. Struensee, so wird da behauptet, lebt. Er sitze irgendwo wie die Made im Speck, sammele seine Anhänger, die man sträflicherweise – ha, sträflicherweise! – nicht reihenweise geköpft, sondern nur des Landes verwiesen hat, und brüte eine Teufelei aus. Besonders mit seinem älteren Bruder, der in Kopenhagen seine rechte Hand gewesen ist. Man stelle sich vor: Revolution in Altona und Pinneberg! In Hamburg gar. In Englandmag das möglich sein, da gärt es schon lange, aber bei uns? Warum nicht gleich im Garten Eden?»
    «Was?» Claes Herrmanns lachte ungläubig. «Verzeiht mein Lachen, der Einfall ist nicht wirklich lustig. Aber das ist zu absurd.»
    «Wahnwitz!»
    «Wahnwitz. Unbedingt. Wie sollte das gegangen sein? Tausende waren Zeuge der Hinrichtung.»
    Sonnin berichtete knapp, was er gerade gehört hatte, unwillig, gleichwohl spürte er Erleichterung. Er kannte den Kaufmann lange und gut

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